Quantcast
Channel: Die besten Meisterstücke von Tischlern und Schreinern
Viewing all 112 articles
Browse latest View live

Zeitlos gediegen

$
0
0
Um räumliche Tiefe zu schaffen, hat sich Konstantin Guckes mit der plastischen Gestaltung von Ansichten auseinandergesetzt und dabei bemerkenswerte Lösungen gefunden.

Auffällig ist der vorspringende Korpus, der die innere Struktur des Grundrasters rahmt, betont und horizontal spannungsvoll gliedert. Die Anordnung offener, geschlossener und flächiger Elemente wirkt durch den stimmigen Einsatz von Eiche, Messing und graublauem Linoleum sehr harmonisch, sie zeigt ein ausgewogenes Gleichgewicht in der Asymmetrie.

Filigrane Details wie Griffleisten und Beschläge unterstützen diese Wirkung. Dominierendes Material ist mit Hartwachsöl behandelte Eiche, die im Laufe der Jahre eine farblich interessante Symbiose mit dem brünierten Messing eingehen dürfte. Der Korpus aus furniertem Sperrholz ist auf Gehrung verbunden und an der Vorderkante um 45° gefast, in der Ansicht entsteht so eine Tiefenwirkung. Die Unterteilung ist bündig mit der inneren Kante der Korpusfase und bildet eine weitere Bezugsebene. Die Fächer sind mit Auskleidungen aus Holzwerkstoffplatten verbunden, bilden Tür- und Schubkastenanschläge oder sind an der Vorderkante gefast. Die Kanten der Einschübe verdecken zum Teil die Fasen der Auskleidungen und treten damit konturierend in Konkurrenz.
Das Sideboard wurde für keinen festen Zweck oder Raum konzipiert, bietet unterschiedliche Ablage- und Aufbewahrungsmöglichkeiten für Utensilien, durch Türen zu schließende Fächer sowie in der Blickachse ansteigend größer werdende Schubkästen. Aufgrund seiner geringen Höhe von 36 mm und großen Tiefe von 430 mm erscheint der Messingeinschub oben links nur eingeschränkt nutzbar.
Der Korpus ist – um die Biegesteifheit zu erhöhen – im Boden durch Aluminium-Vierkantrohre verstärkt. Das Untergestell aus Messing-Vierkantrohr ist vorn wie der Korpus um 45° gefast. Fraglich bleibt, ob das Sideboard mit diesem Unterbau bei immerhin 2 m Spannweite nicht schon aus optischen Gründen als durchgebogen erscheint. Insgesamt ist die Umsetzung der Gestaltungsidee in Form und Ausführung sowie in der Materialwahl beeindruckend gelungen.

40242040
Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990 bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

Möbel zitieren Häuser

$
0
0
Axel Müller-Schöll sieht das Meisterstück von Christian Heinchen als modernen Vertreter der Fassadenschränke, einer Möbelbautradition aus dem 15. Jahrhundert.

In der frühen Renaissance stellte man sich vor, dass eine Wohnung nichts anderes sei, als eine miniaturisierte Stadt mit ihren öffentlicheren und privateren Orten. Die »Piazza« bildete der Salon: die Schränke zitierten exponierte Gebäude einer Stadt, daher trugen deren Fronten die Züge von Fassaden. Inzwischen hat sich das Aussehen der Stadthäuser fundamental verändert. Zwar kann man die Ikonen der Renaissance noch hier und dort in den Altstädten bewundern, zum Beispiel in Florenz, doch spätestens

seit der Moderne mit der Erfindung des Stahlbetons wird anders konstruiert. Dies prägt entsprechend die Fassaden der Gegenwartsarchitektur. Will man diese auf Möbel übertragen, so bedarf es entsprechender Transformationen! Das scheint mir vor dem Hintergrund dieser langen abendländischen Tradition bei diesem Möbelstück ausgesprochen gut gelungen – in Manhattan oder Frankfurt sind ihm die schönsten Hochhäuser im Duktus seelenverwandt. Mit einer zarten Fuge auf der Vorderseite blitzt nicht nur etwas vom lebendigen Interieur nach außen, sondern sie bringt auch gekonnt Maßstäblichkeit in den Entwurf. Meisterlich! Mir stellte sich allerdings die Frage, ob der Nutzen als Musikschrank mit CD-Fächern noch ganz auf der Höhe der Zeit ist – heute, wo Musik auf Datenträgern gespeichert oder nur noch gestreamt wird, bräuchte man vielleicht eher mehr Parkflächen, um Eingabe- oder Speichergeräte abzustellen und zu laden, vielleicht auch einen Monitor, um den Bestand zu verwalten oder die dazugehörigen Musikvideos zu genießen. Doch wie gut dieses Möbel am Ende ist, das zeigt sich schon darin, dass solche Überlegungen völlig problemlos auch im Nachhinein noch in das eindrucksvolle Gehäuse implantiert werden können. Ein richtiges Gebäude eben!

40272331
Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion. dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

Edel und eigenwillig

$
0
0
Inspiriert von der Tradition japanischer Raumgestaltung hat Charlie Periane Y Rodriguez einen Wäscheschrank mit Leinenbespannung entworfen. Unsere Kritikerin Ursula Maier zeigt sich trotz ungelöster Probleme vom Charme der feinen Arbeit bezaubert.

Mit filigranen Rahmen der Türen, Seiten und Schubladen, gezackten Trägerleisten mit massiven Fachböden und den eingelassenen Beschlägen folgt das wandhängende Möbelstück aus Lärche unserer handwerklichen Tradition. Zauberhaft wirkt es, wenn Licht bei geöffneten Türen durch den Stoff fällt und damit das innen liegende Muster offenbart! Eher als als eine Verbindung zur japanischen Tradition sehe ich darin ein heiter verspieltes, spanisch-islamisches Motiv. In den 1960er-Jahren hat mein Vater auf einer Wirtschaftsreise nach Japan einen Schreiner in seine Werkstatt eingeladen, der auf Schiebetürornamente spezialisiert war und die feinen Rahmenwerke dann auch in Deutschland herstellte: Schiebetüren hatten einen Schmuckfries aus feinsten Fichteleisten, meist überplattet in streng mathematischer Anordnung und seitlich in Rahmen genutet. Die Rahmen wurden mit Japanpapieren bespannt: Unter Dampf gedehnt und mit Weißleim auf den Leisten verklebt, spannten sie sich nach dem Trocken ohne Falten! Ich habe etliche Möbel dieser Art kreiert. Leinenstoffe dagegen sind edel, aber eigenwillig! Es ist fast nicht möglich, diese Faser so zu spannen, dass sich keine Blasen bilden, zumal bei schwankender Luftfeuchtigkeit. Es ist mir klar, wie viel Überlegungen dieses Novum hatte: Die gefrästen FU-Ornamente sollten an den Fräskanten nicht sichtbar sein, daher die beidseitige Bespannung. Der Stoff kann auch nicht auf das Ornament geleimt werden, sonst sieht man den Leimdurchschlag. Ein spannender Ansatz für den Leichtbau von Möbeln, der Parallelen in der modernen Architektur hat, etwa bei den Bauten von Werner Sobek, die vielfach mit Stoff bezogen sind. Es begeistert mich, wie das Möbel in der Ausstellung neben dem bodentiefen Fenster platziert ist – das nenne ich gute Architektur!


Ursula Maier, Stuttgart, Maître Ébéniste und Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und 2007 an die vierte Generation übergeben.

Trennen und verbinden

$
0
0
Zwei Gestaltungsansätze, die dem gleichen Ziel dienen, sind im Meisterstück von Sebastian Faas ablesbar: Durch die betonte Trennung der Bauteile sowie die Auflösung der orthogonalen Strenge im Gestell wird eine attraktive Leichtigkeit hervorgerufen.

Im ersten Ansatz zerlegt Sebastian Faas seinen Schreibtisch in vier Elemente, um sie darauf additiv wieder zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Als das kräftigste Element tritt die Arbeitsfläche hervor, die als 120 mm hoher Schubkastenkorpus ausgebildet ist, hervorgehoben durch beidseitige Beschichtung mit anthrazitfarbenem Linoleum und nur unterbrochen durch eine helle Eschenholzkante. Der Aufsatz mit kleinem Utensilienschubkasten und Kammstruktur für die Aufbewahrung von Briefen bildet das zweite Element: Es berührt die Fläche nur punktuell und greift mit Abstand über die Kante der Arbeitsfläche. Das dritte Element legt sich als mit Filz bespannte Pinnwand wie eine schützende Hand über Eck um den Schreibtisch und scheint vom Möbel losgelöst.

Ein zweiter gestalterischer Ansatz zeigt sich im vierten Element, dem Fußgestell: Nach dem Vorbild des Stuhls ohne Hinterbeine von Mart Stam versucht Sebastian Faas die orthogonale Strenge des Möbels aufzulockern, indem er die tradierte Anordnung der Füße mit einer umlaufend linearen, stark horizontal geführten Anordnung 40 mm starker Vierkanthölzer umgeht. Damit entfallen hinten die außen liegenden Füße, in einem weiteren Schritt werden die vorderen um 70° abgeknickt. So wird die statische Normalität aufgehoben und an neuralgischen Punkten durch mit Linoleum beschichteten Scheiben und eine versteckte Metallplatte an der Unterseite des Korpus ersetzt.
Mit diesem vermeintlich interessanten Knick wird der Schreibtisch seinem hohen formalen Anspruch nicht gerecht: Durch die seitlich fehlenden Ecken ragt der Schubkastenkorpus ins Leere, das Möbel verliert an Eleganz, was besonders durch die angeschnittenen dunklen Flächen deutlich wird, die eine räumlich unvollendete Wirkung hervorrufen. Die dem Möbel innewohnende spielerische Anmut gründet sich auf die gekonnt aufeinander abgestimmten Elemente in ihrer perfekten handwerklichen Ausführung und der überzeugenden Materialwahl.

Prof. Peter Litzlbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, lehrt Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Fachbereich Architektur und Design.

Der Beitrag Trennen und verbinden erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

»So wenig Design wie möglich«

$
0
0
In seiner klaren Linienführung erinnert das wandhängende Sideboard von Martin Hütt an Industriedesign von Dieter Rams. Das Innenleben des Möbelstücks ist wohl durchdacht, wenn es mit der formvollendeten Hülle auch nicht ganz Schritt halten kann.

Der lang gezogene schlichte Quader mit den abgerundeten Ecken, seinen schmal ausgebildeten Fugen, dem nahtlos quer umlaufenden Furnier und den einfarbigen, grifflosen Fronten überzeugt durch die auf das Wesentliche reduzierte Formensprache. Diese drückt sich auch in der Beschränkung auf nur zwei sichtbare Materialien aus: Eiche-Messerfurnier und das schwarze Zellulosefasergewirk »Snap-Pap« grenzen Flächen und Konturen markant voneinander ab und mindern spielerisch die kompakte Wirkung des Sideboards mit drei im 90°-Winkel öffnenden Klappen. In der Hülle befindet sich ein Innenkorpus mit zwei Schubladen, einem Tablarauszug mit drei herausnehmbaren Boxen und zwei Fachböden. Diese Einteilung erfüllt einen hohen Gebrauchswert durch unterschiedliche und flexible Ablage- und Ordnungsmöglichkeiten.

Die durch Materialwechsel abgesetzte Aufkantung des Tablarauszugs zeigt besonders in der frontalen Ansicht eine weniger subtile Handschrift als die feine Außenform – hätten die herausnehmbaren Boxen dezenter fixiert werden sollen? Auch Klappenhalter mit selbsteinziehendem Seilzug sind revisionierbar hinter Blenden verborgen, die mit 25 mm sehr breit sind und dazu von 17 mm starken Zwischenwänden eingefasst werden. Im Sinne einer Black Box ist das grundsätzlich eine gute Lösung – die hat hier jedoch zur Folge, dass der Innenraum nicht der gerundeten Kontur des Außenkorpus folgt, sondern sie begradigt, was die Linienführung des Entwurfs beeinträchtigt. Die beachtliche Dicke der Sandwichaufbauten hätte man durch Einlassen der Klappenhalter verringern können. Unberührt davon zeigt das Möbel eine sehr anspruchsvolle gestalterische und handwerkliche Qualität. Auch die Güte der Fertigungszeichnungen lässt keine Wünsche offen. Martin Hütt folgt mit der Formgebung seines Stücks einer der zehn »Thesen für gutes Design« von Dieter Rams: »Gutes Design ist so wenig Design wie möglich«.

Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990 bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

Der Beitrag »So wenig Design wie möglich« erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Entwicklung eines Prototyps

$
0
0
Aus Magnetschichtstoff gefertigte Kanten und flexible Fachböden mit eingelassenen Magneten definieren an beliebiger Stelle Flächen in einer filigranen zerlegbaren Struktur: Sarah Kamender stellt bei ihrem Meisterstück Standardprodukte in einen neuen Kontext.

Kantenbänder aus einer Magnethaftplatte von Homapal, 450 Neodym-Magnete und 80 induktionsgesteuerte Invis-Verbinder von Lamello sind neben dem massiven Eschenholz die technische Grundlage dieses ingenieurmäßig anmutenden Meisterstücks. Mit nur wenigen Handgriffen erlaubt es das Möbel, eine einst gewählte Ordnung der Dinge auf den Kopf zu stellen: Durch die flexiblen magnetisch haftenden Fachböden können Flächen an fast beliebiger Stelle entstehen. Angeschrägte Leisten mit einer Mittellage aus Heftgaze und kleinen, unsichtbar eingelassenen Neodym-Magneten bilden die beidseitig aufrollbaren Fachböden, die an Kantenbändern aus HPL mit deren Mittellage aus einer weichen Stahllegierung haften. Diese geben auch den mit Domino-Verbindern aus Esche-Segmenten verleimten Rahmen zusätzlichen Zusammenhalt. Die in Länge und Breite erweiterbare zerlegbare Struktur setzt sich aus fünf verschiedenen Teilen zusammen, die jeweils durch Invis-Verbinder verbunden sind: Ein Induktionsfeld versetzt hierbei eine Gewindeachse so in Rotation, dass sie präzise in ein Gegenstück mit Gewindemuffe greift. So lassen sich formschlüssig gestoßene Segmente unsichtbar kraftschlüssig verbinden und wieder lösen, ohne dass die Verbindung einem Verschleiß unterliegt.

Die filigrane Regalstruktur kann auf klemmbaren Stahlfüßen horizontal im Raum ausgerichtet werden. Sarah Kamender hat bereits für ihr Gesellenstück mit einer flexiblen Fläche aus Leisten gearbeitet. Anders als beim Meisterstück waren sie jedoch einseitig mit einer Lederhaut verbunden. Die Platte passte sich durch ihr Gewicht an die Kontur des Untergestells an. Für das Meisterstück lag allein in der Fertigung des Kantenbandes aus einer Magnetschichtstoffplatte die ungleich höhere Herausforderung: An der Kreissäge, wegen des Funkenflugs ohne Absaugung geschnitten, zeigte das hartmetallbestückte Sägeblatt wegen der in das Laminat eingebetteten Eisenfolie einen deutlich erhöhten Verschleiß. Die bekanteten Werkstücke zu kalibrieren war nicht möglich, weil das Schleifband Schaden nahm. Also galt es, die Kanten auf Fertigmaß zu sägen und von Hand mit Weißleim und Zwingen exakt zu positionieren. Besonders an den abgesetzten Konterprofilen der Verbindungen wird anschaulich, in welcher Güte das gelungen ist. –JN

Steckbrief

Für die Entwicklung ihres Meisterstücks »Bubbles« ist Sarah Kamender von der Jury des Gestalterpreises im Tischlerhandwerk an der Meisterschule Berlin 2016 mit einem Sonderpreis ausgezeichnet worden.
Magnetschichtstoff von Homapal sowie Invis-Verbinder von Lamello wurden innovativ und entwurfsprägend eingesetzt.

Der Beitrag Entwicklung eines Prototyps erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Kunstwerk und Möbelstück

$
0
0
Wer bei einer Komposition aus Kabinettschrank und Sekretär womöglich an ein klassisches Funktionsmöbel denkt, liegt bei diesem Meisterstück falsch: Der sogenannte Kabitär von Michael Gläßer ist ein Objekt, wie es sonst eher Künstler hervorbringen.

Kabitär nennt Michael Gläßer seine Komposition aus Kabinettschrank und Sekretär. Ein klassisches Funktionsmöbel ist diese Schöpfung dennoch nicht! Michael Gläßer hat etwas anderes zur Meisterschaft gebracht, was möglicherweise noch viel schwieriger ist – er hat eine Figur geschaffen, wie sie sonst eher Künstler hervorbringen: Oskar Schlemmer mit dem Triadischen Ballett oder Giorgio De Chirico, ganz selten auch Designer, wie etwa Ettore Sottsass mit seinen beiden Werken Totem oder Carlton. Möbel, die etwas über diejenigen zum Ausdruck bringen, die sich für sie entschieden haben und deren Zweck vor allem darin besteht, eine Art Begleiter durch den Alltag in den eigenen vier Wänden zu sein.

Eine Figur (figura, lateinisch Gebilde oder Gestalt) reklamiert, ein Wesen zu haben und manchmal sogar Eigenarten. So bündeln etwa Schachfiguren diverse Möglichkeiten strategischer Potenziale. Ein anderes Beispiel findet man unter Modeschöpfern, die ihre Kollektionen entwerfen, indem sie Figuren definieren, die sie in ihren Zeichnungen zuspitzen und damit den Schneidern die Richtung weisen.
Handwerklich ist der Kabitär eine Arbeitsprobe, über die sich dezent, aber doch unübersehbar die Finessen mitteilen, zu denen sein Schöpfer imstande ist. Dass an diesem Möbel jemals irgendjemand einen Brief oder eine Postkarte schreiben wird, das glaube ich eher nicht – Ergonomie und Praktikabilität standen ganz offensichtlich nicht im Vordergrund, was bei einer Figur im beschriebenen Sinne auch nicht nötig ist. Öffnet man die Klappe und schaut in das Innere, offenbart sich eine weitere emotionale Steigerung: Rippen und Muskulatur des Objekts sind mit so viel Gefühl, dabei ohne jeden Kitsch, mit kongenialen Farben und Hölzern modelliert – unvorstellbar, dass dies den Betrachter nicht berührt. Der Kabitär ist ein Möbelstück, dem große Präsenz attestiert werden darf, und das, ohne dick aufzutragen. Eine Ehr’, der Kabitär!

Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion. dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

Der Beitrag Kunstwerk und Möbelstück erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Treffpunkt im Raum

$
0
0
Das Meisterstück von Daniel Burfeind soll als Kommunikationsmöbel frei im Raum stehen. Ursula Maier schätzt daran, neben dem zeitgemäßen und spannend umgesetzten Konzept, auch die meisterlich ergriffene handwerkliche Herausforderung.

Kommunikation bestimmt heute unsere private und berufliche Lebensführung: Ob geselliges Kochen oder Arbeitsbesprechung – multifunktionale Möbel mitten im Raum sind angesagt, zumal Wandflächen als die traditionellen Stellorte für Möbel in Relation zu großzügig dimensionierten Fensterfronten rückläufig sind. Mit seiner Größe sollte dieses Stück sorgfältig platziert werden – auch, um andere Möbel nicht zu erdrücken. Wegen des Volumens und des Transports kann es zerlegt werden. Rollen hinter dem Sockel könnten den schweren Korpus mobil halten!

Auf den ersten Blick ist das Material des Monoliths nicht erkennbar, es könnte auch ein Granitblock sein! Dann entdeckt man die Holzadern und fühlt die feine Haptik des Linoleums. Das Auge sieht einen Würfel, obwohl der Kubus 5 cm höher als seine Seitenlänge von 100 cm ausfällt. Er steht auf einem 10 cm hohen, nach hinten abgeschrägtem Sockel. Die Kanten sind auf Gehrung gearbeitet. Das obere Quadrat ist durch ein diagonal verlaufendes Kreuz aufgeteilt, das sich auf den vier Seiten jeweils in einer 70°-Linie fortsetzt. Die polygonalen Flächen begegnen sich geschickt stumpf aufschlagend mit spiegelbildlich gefrästen Griffleistenprofilen. In der markanten Holzmaserung des Zebranos fällt die eingeplante Luft für Toleranzen kaum auf! Das durchlaufende Fugenbild wird zum Gradmesser dafür, wie souverän das Gehrungsthema mit Türen und Schubladen gemeistert wurde.
Die mittlere Trennwand ist einseitig versetzt: die Tiefe der festen Fachböden beträgt 380 mm, die der Schubladen dagegen 554 mm. Sie haben aufgrund der schrägen Mittelseite eine reizvoll trapezförmig gezinkte Seite. Hinter der schräg verlaufenden Front der oberen Schublade verbirgt sich ein Absatz im Schubladenboden für mehr Rauminhalt. Reizvoll ist auch die diagonal ausziehbare Getränkeschublade, hier ist die Schubladenführung diagonal zwischen Korpusboden und Schubladenboden angebracht. Ein spannendes und gelungenes Meisterstück!

Ursula Maier, Stuttgart, Maître Ébéniste und Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und 2007 an die vierte Generation übergeben.

Der Beitrag Treffpunkt im Raum erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.


Minimalismus als Vorbild

$
0
0
Drei klassische Arbeitsanforderungen an einen Schreibtisch wurden bei diesem Meisterstück minimalistisch umgesetzt: eine große Arbeitsfläche, Schubkästen für unterschiedliche Papierformate und ein Einsatz für Schreib- und Zeichenutensilien.

Wer nach Vorbildern für minimalistische Grundansätze der Gestaltung sucht, kann bei Donald Judd, einem amerikanischen Architekten, Designer und Maler, fündig werden: Seine Arbeiten reduzieren sich auf geometrische Grundformen, die ein hohes Maß an Präzision in der Gestaltung und im Detail aufweisen. Daran erinnert mich das Meisterstück von Sebastian Sanktjohanser in seinem klar konturierten Aufbau. Drei klassische Anforderungen stehen hier im Vordergrund: große Arbeitsfläche, Schubkästen für unterschiedliche Papierformate, Einsatzkassette für Schreib- und Zeichenutensilien. Anforderungen zeitgemäßer Technik bleiben hingegen ganz bewusst unberücksichtigt. Der repräsentative Charakter steht bei diesem Möbelstück im Vordergrund und wird durch Materialwahl und Konstruktion betont.

Platte und Seiten schützen als umgedrehte Schale die Auskleidung. Sie wird mit einem 45°-Winkel an allen Kanten schräg nach innen geformt und wirkt ähnlich eines angehefteten Futterstoffes. Geschickt findet hier helles Eichenholz für die Umhüllung im Gegensatz zum grau lackierten Futter seinen Einsatz. Eine umlaufende Schattenfuge arbeitet dieses Futter elegant heraus. Durch den Nextel-Lack entsteht die Anmut von haptischer Stofflichkeit. Die technischen Zeichnungen lassen das konstruktive Innenleben des Futters erkennen: Eine Gitterstruktur aus Eiche mit eingebetteten T-Profilen aus Aluminium übernimmt die Statik. Ecken mit Schlitz und Zapfen erhöhen die Winkelsteifigkeit. Die Idee, das Futter nach unten zu verjüngen, vermittelt dem Schreibtisch zusätzliche Leichtigkeit. Äußerst subtil sind die drei Schubkästen mit feinen Fugenmaßen integriert.
Insgesamt ist es Sebastian Sanktjohanser wunderbar gelungen, einen Schreibtisch zu entwickeln, der den selbst gesetzten Anforderungen vollkommen gerecht wird. Idee, Form, Konstruktion und Material sind auf das Feinste aufeinander abgestimmt und zeigen in der Ausführung eine meisterliche Hand.

Prof. Peter Litzlbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, lehrt Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Fachbereich Architektur und Design.

Der Beitrag Minimalismus als Vorbild erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Auftrag mit Hindernissen

$
0
0
Manchmal führt die Vielzahl gestalterischer Vorgaben zu Kompromissen bei der formalen Stringenz eines Möbelstücks. Eckhard Heyelmann hat sich auf Spurensuche begeben.

Christopher Platz hat sein Meisterstück im Rahmen eines Auftrags konzipiert und gebaut. Dabei waren für ihn die Vorstellungen seines Auftraggebers bindend, wonach das Sideboard in der Formensprache an skandinavisches Design der 50er- und 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts erinnern soll. Gegenwartsbezug sollte durch Oberflächenbehandlung, Materialwahl und konstruktive Details erreicht werden. Ergebnis ist ein liegender, auf Gehrung verleimter, einfarbig grau lackierter Quader in MDF. Darin sind verschiedene Öffnungen eingeschnitten und über Eck ausgespart, in die Volumen aus Eiche spannungsreich eingesetzt sind. Diese Vollholzelemente sollen die Lackflächen durchdringen, um die streng kubische Wirkung des Monoliths etwas aufzulockern. Das Sideboard soll als Medienmöbel genutzt werden und auch frei im Raum aufgestellt werden können. Als sinnvoller Stauraum und Ablage für Bild- und Tonträger sowie Zubehör dienen drei Schubkästen, ein größeres geschlossenes Fach, ein über Eck verlaufendes CD-Regal und im Schubkasten ein abschließbares Fach mit Klappe.

Der voluminöse Körper liegt auf einem gedrungen bockigen Zargengestell mit ausgestellten Füßen, das in der Geometrie an das Gestell eines vorhandenen dänischen Sofas angelehnt ist. Es nimmt mit Eiche eines der beiden Materialien des Korpus auf, setzt aber eine eigenständige formale Aussage dagegen – für den Korpus mit durch Auslassungen zusätzlich betonten Körperkanten wären schlichte Metallfüße vorteilhafter. Schubkastendoppel und Tür sind an den vertikalen Innenkanten gerundet und nur mit leicht gebrochener Kante in das Volumen bündig eingefügt. Als Grifflösung ist von hinten in Handbreite eine Hohlkehle gefräst. Als Gegenstück und zur Erweiterung des Eingriffs sind in den Korpus freiformartige Aussparungen eingearbeitet. Sie durchbrechen das durch eine kleine Fase fast zu feine Fugenbild und akzentuieren stark die Griffbereiche.
Der Wechsel von Eiche auf Nussbaum in den Schubkästen scheint gestalterisch kaum begründbar. Auch erschließt sich nicht, weshalb die Einschübe lösbar und mit auffälligen Edelstahlverbindern fixiert sind, da eine eventuelle Änderung der Nutzung oder Farbgestaltung nicht angedacht ist. Problematisch ist zudem die fixe Verbindung von Werkstoffen trotz des unterschiedlichen Schwundverhaltens. Das Stück ist handwerklich gelungen und zeigt einen interessanten Gestaltungsansatz, der durch formale Vorgaben nicht durchgängig umgesetzt werden konnte.

Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990 bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

Der Beitrag Auftrag mit Hindernissen erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Turnen leider verboten

$
0
0
Felix Böhmert hat eine Garderobe mit optischen Anleihen an klassische Turngeräte gestaltet und dabei ohne zwingenden Grund darauf verzichtet, die einstigen Funktionen von Kasten und Sprossenwand beizubehalten. Schade eigentlich!

Die Kunst des Zitierens hat in den 1980ern eine ganze Stilepoche geprägt: In der Postmoderne wurde formal Altbekanntes neu interpretiert. Oftmals mit ironischen Gegenständen – einem geschäumten Hocker mit grünen Stacheln zum Beispiel, der dann als Riesen-Rasen »Pratone« daherkam oder einem Sessel in Form eines Einkaufswagens mit zur Seite geklappten Gitterwänden.

Möglicherweise ist dieses Meisterstück ja davon inspiriert – glaubt man den Buschtrommeln, so sind die 1980er-Jahre des letzten Jahrhunderts wieder im Kommen. Jedoch argumentiert Felix Böhmert in der Beschreibung des Möbels derart bierernst, dass man in Zweifel gerät und sich fragt, warum denn dieses schöne, gut riechende vegetabil gegerbte Leder auf der Kommode nur gepolstert aussieht wie bei einem Turngerät, tatsächlich aber hart ist? Es könnte doch mit Augenzwinkern dazu animieren, sich bisweilen darauf zu schwingen, wie einst im Turnunterricht, wenn der Lehrer gerade mal nicht herschaute. Wäre das nicht verlockender als eine ebene Abstellfläche? Und wäre es nicht schön, die zu einer Garderobe ertüchtigte Sprossenwand könnte darüber hinaus noch als solche fungieren, damit der vom Rasten ein wenig gerostete Mitmensch sich gelegentlich daran ein paar Minuten abhängen kann, um dem Körper Regeneration zu verschaffen?
Aber diese Fragen gehen vielleicht doch zu weit – denn der frischgebackene Meister hat eine beherzte formale Entscheidung getroffen, die zu akzeptieren ist. Der Spiegel allerdings, den Felix Böhmert seinem Ensemble als »Raumvergrößerer« hinzukomponiert, ist eher suboptimal: Als solcher würde er nämlich nur dann überzeugend funktionieren, wenn er eine der Raumkanten unmittelbar verlängert. Dazu müsste er entweder größer oder einfach anders angebracht sein. Dennoch dient er seinem Nutzer, um vor dem Verlassen des Hauses die Frisur oder das Make-up zu kontrollieren – was auch nicht zu unterschätzen ist!

Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion. dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

Der Beitrag Turnen leider verboten erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Dauerlüftung eingebaut

$
0
0
Für sein wandhängendes Flurmöbel in Lärche und Lack hat sich Alexander Neumair eine faszinierende Belüftung über die Türen und Korpusseiten ausgedacht. Ursula Maier lobt das gelungene Gesamtkonzept für eine Garderobe auf kleinem Raum.

Erstaunlich ist die Durchlüftung dieses Möbels konstruiert, ebenso lassen sich die Proportionen und die durchdachte Ausstattung loben! Zentrale Themen des Entwurfs sind Rhythmus und Kontrast. Außen sind massive Längsholzprofile von 2000 mm Höhe im Wechsel von 30 und 5 mm Breite mit jeweils 5 mm Luft erkennbar, innen wiederholt sich dasselbe Motiv.Erst der Horizontalschnitt offenbart die Konstruktion: In kammähnlich ausgebildete Querrahmen sind als T-Profil gefräste Leisten eingeleimt. Deren Schenkel überlagern sich und lassen in der Tiefe 5 mm Luft für die Zirkulation der Luft. Die Querrahmen gliedern zudem die Innenflächen der Türen und Seiten im Kontrast zur langgestreckten Außenfront. In diesen strengen Rhythmus der Profilleisten fügt sich dezent die lang vorstehende Griffleiste ein. Eine verdeckte Einlage aus HPL verstärkt ihren fragilen Querschnitt. Auch die 5 und 10 mm langen Hirnholzzapfen der T-Profile in die Querrahmen einzuleimen erfordert Fingerspitzengefühl, sehr leicht bricht das Nadelholz! Lappenbänder mit vorstehendem halbem Gewerbe verbergen sich geschickt in einer Nut.

Frisch wirkt das Wechselspiel von Lärchenholz und hellgrün lackierten Flächen: Für die Innenansicht ist das eine wohltuende Konzentration, außerdem sind die lackierten Flächen gut zu reinigen. Der 500 mm tiefe Garderobenschrank eignet sich für enge Flure, die schmalen Türen nehmen wenig Raum ein. Das Möbel ist mit Hängeleisten an der Wand montiert. Der Fußboden darunter kann leicht gereinigt werden. Die 20 mm dicke lackierte Rückwand durchdringt die Seitenwand und setzt damit außen einen Farbakzent. Unter der Schublade für Mützen und Schals ist Platz für Hausschuhe. Der massive Kleiderbügelauszug in Höhe von 2050 mm wird für kleine Personen schwer zu erreichen sein. Es wäre schön, die Konstruktion wäre eleganter ausgeführt, vielleicht ließe sich der Auszug teilweise in den Oberboden integrieren. Das sympathische Möbel ist eine wahre Meisterleistung!

Ursula Maier, Stuttgart, Maître Ébéniste und Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und 2007 an die vierte Generation übergeben.

Der Beitrag Dauerlüftung eingebaut erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Rahmenbau in Serie

$
0
0
Mit einer außergewöhnlichen Idee stellt sich Markus Swarra der Aufgabe, für den Showroom eines Bilderrahmen- und Vitrinen-Herstellers ein Möbel zu entwerfen. Der Bilderrahmen selbst dient ihm als Metapher für sein Konzept.

In der Vorderansicht sind unterschiedliche Rahmengrößen collagenartig verschränkt verbunden sowie teilweise mit schwarzen Flächen geschlossen oder offen gehalten. In der Seitenansicht bilden die hintereinander gereihten Rahmen ein faszinierendes räumliches Spiel mit linear anmutender Geometrie, eingebunden in einer klaren Leistenstruktur, die sich zum Korpus addiert. Im Bereich der eingeschobenen »Vitrinen« verschmelzen die Rahmen in der Tiefe zur Fläche, im Außenbereich bleiben sie mit Zwischenraum ablesbar. Dieses Wechselspiel von Dichte und Offenheit lässt das Möbel wie eine bildhauerische Skulptur erscheinen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die eingeschobenen Behältnisse aus schwarzer MDF, die mit großem Überstand an der Vorder- und Rückseite herausragen. Die zurückhaltenden Metall-griffleisten an der Unterkante der Schubkästen und der Drehtür unterstützen die Blockhaftigkeit dieser Einsätze und unterstreichen damit die kraftvolle, skulpturale Anmut des Möbelstückes. Eine Lichtfuge aus Acrylglas und LED-Band zwischen Behältnis und Rahmen ist ein weiterer, gestalterischer Kunstgriff, um die Trennung beider Elemente zu betonen. Hier wäre alternativ und mit weniger Materialaufwand vorstellbar, den Zwischenraum der Rahmenstruktur komplett offenzuhalten, um das Durchschieben der Behältnisse klarer zu verdeutlichen.

Beeindruckend sind die konstruktiven Details, die aus der tradierten Holzverbindung entwickelt und angewandt wurden. Diese Verbindungen sind nicht nur konstruktiv notwendig, sie sind zusätzlich auch als dekoratives Element im Gesamtbild des Möbels zu sehen. Insgesamt 228 Gehrungen, 456 Fremdfedern, 80 Schwalben-Überblattungen und vier gezinkte Schubladen versetzen den Betrachter in Erstaunen. Die außergewöhnliche Idee von Markus Swarra löst seinen formalen Anspruch, ein Möbelstück für einen repräsentativen Platz innerhalb eines bestimmten Showrooms zu entwickeln, vollkommen ein.

Frontalschnitt: Konstruktive Verschränkung der massiven Rahmen mit den MDF-Einschüben
Vertikalschnitt:Der mittlere Schub ist elektronisch gesichert und lässt sich mit einer Chipkarte entriegeln

Prof. Peter Litzelbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, lehrt Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Fachbereich Architektur und Design.

Der Beitrag Rahmenbau in Serie erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Schönheit des Einfachen

$
0
0
Das auf den ersten Blick unscheinbare Meisterstück von Alexander Gallesdörfer überzeugt als ausnehmend gelungenes, in den Formen stimmiges und harmonisches Möbel.

Lätthet heißt dieses Meisterstück auf schwedisch. Übersetzt bedeutet das Einfachheit, Leichtigkeit und benennt ein Anliegen des Auftraggebers bezüglich der Gestaltung des Möbels. Der Schreibtisch besteht aus einem flachen formverleimten Korpus mit längs umlaufendem Furnier und schräg stehend konischen Füßen. Er zeigt eine sehr klare, auf das Wesentliche reduzierte Formensprache, die bis ins Detail durch Kreis und Halbkreis als geometrische Grundelemente bestimmt wird. Diese finden sich im Querschnitt der Beine, in der Ausbildung des Korpus als Endlosband, verkleinert in der Griffausbildung und schließlich in der Kulissenführung der Schubkästen. Auch in Wahl und Einsatz von nur zwei sichtbaren Materialien, weißem Mineralwerkstoff und matt lackierter Eiche, die außerordentlich gut miteinander harmonisieren, spiegelt sich in diesem minimalistischen Ansatz der Wunsch des Auftraggebers wider.

Die Gestalt des Korpus setzt sich geometrisch aus zwei Halbzylindern und einem Quader zusammen. Sie umschließt drei großvolumige, durch Zwischenwände und feine Fugen getrennte Schübe, welche mit ihrer variablen Fächereinteilung die bedarfsgerechte Nutzung ermöglichen. Papier (auch großformatiges), Schreibutensilien, Dokumente sowie elektronische Geräte finden hier Platz. Die an den Seitenwänden der Schubkästen einseitig eingefrästen Kulissenvollauszüge laufen gemäß der bestimmenden Formensprache sichtbar rund aus. Die ausgefälzte Griffleiste in den Schubkastendoppeln aus Mineralwerkstoff ist in Länge und Höhe spannungsvoll dimensioniert und mit Bedacht platziert: In der Ansicht betont sie eine asymmetrische Gliederung des flachen Korpus. Die gedrechselten Füße sind mittels einer verdeckten Stahlkonstruktion lösbar befestigt. Unebenheiten im Boden sind durch Höhenversteller ausgleichbar.

Das Meisterstück zeigt eine durchweg anspruchsvolle gestalterische und handwerkliche Qualität. Im Zusammenklang mit der gelungenen Formgebung sind Einfachheit und Leichtigkeit als Kundenwunsch überzeugend umgesetzt worden.

Frontalschnitt: Ein C-förmig formverleimtes Oberteil bildet mit der Grundplatte optisch ein Endlosband – die Kante wird furniert
Vertikalschnitt: Die Korpusrückwand ist als Blende ausgebildet und lösbar mit Keku-Beschlägen befestigt

Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990
bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

Der Beitrag Schönheit des Einfachen erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Doppelte Retrospektive

$
0
0
Das Meisterstück von Andreas Leubner ist formal und im Entwurfsansatz eines Systemmöbels eine gelungene Hommage an die 1960er- und 1970er-Jahre.

Mit konisch zulaufenden Füssen erinnert das Meisterstück von Andreas Leubner, wie er selber schreibt, an die 1960er- und 1970er-Jahre. Aber nicht nur in formaler Hinsicht darf es als retrospektive Hommage gesehen werden, sondern mehr noch des Entwurfsansatzes wegen. Dieser atmet etwas von dem Geist der Ulmer Hochschule für Gestaltung um Max Bill, dessen Pendant im Osten etwa zur selben Zeit die Burg Giebichenstein in Halle war, die noch als »Hochschule für industrielle Formgestaltung« diese konsequente Form des Rationalismus pflegte.

Das Designverständnis war maßgeblich von Rudolf Horn geprägt, dessen Entwürfe von den Deutschen Werkstätten Hellerau in Dresden produziert wurden. So war etwa das legendäre MDW-Möbelprogramm ein System-Möbel aus Komponenten, die in einem ausgeklügelten Raster mit- und ineinander aufgebaut werden konnten und Menschen so dynamisch durch unterschiedliche Lebensphasen begleiteten.

Ein solches wohldurchdachtes Setting ist auch dem jungen Meister Andreas Leubner gelungen. Es macht Veränderungen von Sitzhöhen möglich, etwa für ganz Alte und ganz Junge, bietet nach Bedarf mehr oder weniger Sitzplätze für eine Familie, die sich in ihrer Zusammensetzung verändert und interpretiert den Alltag der Gegenwart mit Augenzwinkern in Form einer USB-Ladestation. Ein Arrangement, das sehr flexibel ist und im Gegensatz zu anderen, die das auch sind, Möbel aus einem Guss zeigt, ohne dabei überladen oder zusammengewürfelt zu wirken.

Gelungen ist Leubner auch die Wahl der Farben und Materialien: Die hellen Noten im europäischen
Nussbaum werden durch Kombination mit Kupfer und dem entsprechenden Ton des Leders raffiniert aufgenommen, sodass die dunklen Holzanteile den Duktus einer Zeichnung erhalten. Diese Interversion verleiht dem Ganzen eine wohltuende Frische, ohne dass es dabei aus der Ruhe kommt. Ein Meisterstück in vielerlei Hinsicht – Bravo!

Vertikalschnitt: Stollenbank mit Füllungen. Furnierter Schrankaufsatz mit Front aus schräg angeschnittenen Hirnholzklötzchen
Vertikalschnitt: Stumpf aufschlagende Tür, der Fachboden ist als Rahmen mit Lederfüllung ausgeführt
Horizontalschnitt: Anschlag der Rahmentür mit aufwendiger Staubleiste

Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der
Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion.
dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

Der Beitrag Doppelte Retrospektive erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.


Sakraler Ausdruck

$
0
0
Der Geschirrschrank in Kirschbaum und Räuchereiche von Christoph Kaiser ist von einer ausdrucksstarken Schlichtheit, die an japanische Vorbilder erinnert.

wie ein japanischer Schrein thront der Korpus auf dem 500 mm hohen, gespreizten Gestell in massiver Räuchereiche. Mehrfach trapezförmig nach vorne und zur Seite ist das Gestell so konstruiert, dass es den aufliegenden Korpus trägt und dennoch grazil erscheint. Sichtbare Zinken und Gratungen prägen den teilmassiven Brettbau. Das Furnier könnte eine Waldkirsche sein, es ist gerade gestreift mit leichtem Grünstich und gestürzt zusammengesetzt mit feinen Kernholzstreifen. Räuchereiche ist als Kontrastholz sehr gut gewählt, sie wirkt nicht so hart wie schwarz gebeizte oder schwarz lackierte Hölzer, die häufiger zum Einsatz kommen. Der Korpus wirkt durch den Flächenanteil der Koffertüren weniger tief, als er mit 520 mm angegeben ist. Durch den Abstand der Türen von 25 mm ist kein Griff erforderlich, als Schattenfuge ausgebildet, gliedert er die horizontal von Ober- und Unterboden eingefasste Front in der Vertikalen.

Die Koffertüren öffnen sich um 180° und geben Raum für hängende und stehende Gläser. Ohnehin scheint die schöne Innenaufteilung mit ungefähr sechs gleichen Stauräumen mit Breite von 380 mm, Tiefe 350 mm und Höhe von etwa 350 mm sowie dem niederen Fach von 230 mm links der Schubladen eher für einen Barschrank als für Geschirr geplant: Nur Platzteller passen in ein Fach, Essteller, Suppenteller und weitere Teller können gar nicht nebeneinander gestellt werden, weil die Mittelseite im Weg steht. Zwölf Teller benötigen übereinander gestellt nicht mehr als 250 mm Höhe, Tassen und Untertassen noch weniger. Ein besonderer Schmuck sind die Schubkästen mit ihren sichtbaren Holzkulissen aus Räuchereiche und einer in Kirschbaum abgesetzten Mittelleiste. Als Stoppvorrichtung und Mitnehmer dienen beidseitig Madenschrauben, die an einen in die Auszüge gefrästen Holzzapfen anschlagen. Eine Magnetwippe unter dem mit schwarzem Velourleder belegten Schubkastenboden dient als Schloss. Ein wunderschönes Möbel in aparter Holzauswahl!

Frontalschnitt: Offene Zinkung und Gratverbindungen sind das Konstruktionsprinzip des Korpus im Brettbau
Vertikalschnitt: Koffertüren erschließen den Stauraum in zwei Ebenen

Ursula Maier, Stuttgart, Maître Ébéniste und
Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat
ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und 2007
an die vierte Generation übergeben.

Der Beitrag Sakraler Ausdruck erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

»Konstruktiv vom Feinsten«

$
0
0
Jennifer Kammler hat ein zweiteiliges Ensemble entworfen, das als Ruhepol mit Satelit eine heitere Performance im Raum vollzieht. Prof. Peter Litzlbauer beeindruckt die formale, konstruktive und handwerkliche Durchdringung der selbst gesetzten Aufgabe.

Die ergonomisch elegant geformte Liegeschale ruht solide auf einem klassischen Fußgestell mit nach außen gespreizten Holzfüßen, verbunden mit einem zierlich anmutenden metallenen Verbindungssteg. Die Liege vermittelt Ruhe und Sicherheit und mit der farblich fein abgestimmten Polsterauflage auch eine einladende Bequemlichkeit. Gegensätzliche Wirkung erzielt die angesetzte Armlehne, deren horizontale Linie formal den Schwung der Liegefläche stört, auch wenn die mundartige Öffnung den Kompromiss sucht: Die harte Materialwahl suggeriert wenig Komfort. Die in der Länge zweigeteilte Formholzschale, die sich zum Kopf- und Fußende konisch verjüngt, wird von Gratleisten und eingebohrten Stäben zusammengehalten. Eine mittig liegende Schattenfuge verstärkt die formale Eleganz der Rückansicht. Die zusätzliche Formplatte gewährleistet die Stabilität der Polsterung und wird mittels verdeckt angeordneten Magneten an die Liegeschale geheftet.

Mit dem Beistelltischchen ist Jennifer Kammler ein heiteres Möbel gelungen, das in seiner Funktion und gestalterischen Ausstrahlung überzeugt. Ein auf Gehrung gearbeiteter MDF-Korpus mit Schubkästen und Klappe bildet durch die einheitliche Lackierung einen Monoblock. Das Fußproblem wurde charmant gelöst: Wie ein schützender Rücken zieht sich eine massive Rüsterplatte um den Korpus, die sich rechts schräg nach unten verlängert. Links stützt sich der Korpus auf einen leichten Metallrahmen in Analogie zum Fußgestell der Liege. Das Tischchen mit einer Leuchte zu kombinieren, setzt einen weiteren Akzent. In der Mitte der umhüllenden Holzfläche wird ein schmaler Holzstreifen herausgeklappt der sich in alle Richtungen drehen lässt. Der Klappmechanismus ist kreisförmig in die Fläche gesetzt und farblich betont. Als eingewobener Faden schlängelt sich das Kabel zum LED-Einsatz an der Spitze des schräg gekanteten Leuchtenarms, der einer kleinen Giraffe ähnelnd die Liege als ruhenden Pol umtänzelt …

Frontalschnitt Tisch: Als schützender Rücken zieht sich eine massive Rüsterplatte über den Korpus, die einseitig zum Fußgestell wird
Vertikalschnitt Liege: Gratleisten und Metallstäbe verbinden die in Längsrichtung zweigeteilte Sitzschale

Prof. Peter Litzelbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, hat bis Sommer 2017 Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart gelehrt.

Der Beitrag »Konstruktiv vom Feinsten« erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Keine leichte Sache

$
0
0
Der Schreibtisch mit dem Namen Damo, der japanischen Kurzbezeichnung für Esche, sollte durch seine filigrane Konstruktion eine fernöstliche Anmutung erhalten. Die Gestalt des Möbels kann der anspruchsvollen Leitidee nicht in allen Teilen gerecht werden.

Filigrane Stollen mit durchgestemmten und verkeilten Zapfen sind ein wesentliches Merkmal der Konstruktion, die eine Zerlegbarkeit nur suggeriert: Die Verkeilung der Knotenpunkte ist verleimt, wie ein Blick in die Zeichnung zeigt. Es wäre mehr Vorholz erforderlich, um eine stabile, lösbare Verbindung zu gewährleisten, weiter vorstehende Zapfen könnten zudem die Beinfreiheit einengen.

Zwei Korpuselemente tragen die massive, 30 mm dicke Eschenplatte. Aufliegend und mit Nutklötzen befestigt zeigt sie nur schwach gebrochene Kanten. Eine Abfälzung der Unterseite oder alternativ eine Rahmenkonstruktion mit größerem Plattenüberstand und eingelegtem Linoleum als Schreibfläche könnte die Bauweise des Korpus aufnehmen und zu mehr Leichtigkeit beitragen. Unter der Platte befinden sich drei von seitlichen Kulissen geführte Schubkästen, im oberen Korpusbereich jeweils ein hängend geführter Innenschubkasten. Der darunterliegende Platz für Drucker und Rechner ist wegen der tiefen Lage eher bedienungsunfreundlich. Gut durchdacht ist aber die Belüftung: Statt einer Rückwand sind dünne, zum Teil herausnehmbare Vollholzstäbe in engem Abstand zueinander eingenutet worden, sodass auch Kabel mit größerem Stecker durchgeführt werden können. Die schlichte symmetrische Grundform des Möbels korrespondiert mit der fein gestreiften Holzstruktur der Esche. Einen deutlichen Kontrast dazu bilden die monoton und eher schwer wirkenden monochromen grauen Fronten, Füllungen und Schubkastendoppel. Sie sind aus dem durchgefärbten Holzfaserwerkstoff Valchromat gefertigt, der durch seine hohe Dichte für präzise Fräsungen wie etwa die Griffmulde in der Tür besonders geeignet ist. Die Korpustüren sind stumpf mit Zapfenbändern angeschlagen und werden von Neodymmagneten punktuell zugehalten.

Severin Rubatscher hat einen modernen Werkstoff mit klassischen Konstruktionsprinzipien verbunden. Dabei sind ihm beachtliche Lösungen gelungen, die durch Einsichten und Einblicke in die japanische Handwerkskultur im Hinblick auf das Thema Fügen und Verbinden noch vertieft und erweitert werden könnten.


Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990 bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

Der Beitrag Keine leichte Sache erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Pauken und Trompeten

$
0
0
Das Feuerwerk ist kaum verklungen – als Nachklang stellt Prof. Axel Müller-Schöll einen Barschrank auf Trompetenfüßen vor, der dazu einlädt, auf das noch junge Jahr anzustoßen. Organische und orthogonale Formen bilden miteinander eine reizvolle Gestalt.

Der hölzerne Quader in Rüster mit seinem mattschwarzen, feuchtigkeitsresistent ausgeführten Ausschnitt für den Getränkeausschank zeigt eine klar in Form gebrachte Idee – durchdetailliert von einem geübten Konstrukteur, der offensichtlich über breite Material- und Fügungskenntnis verfügt. Definierte Fugen, im Automobilbau würde man sie Spaltmaße nennen, halten Materialien und Flächen auf Distanz und kommunizieren hohe Präzision und Wertigkeit. Bei den Beinen, insbesondere den trompetenartigen Füßen, kommt mir eine Aussage von Armin Müller-Stahl, dem erfolgreichsten deutschen Schauspieler der Gegenwart in den USA, aus einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung in den Sinn: »Ich baue eine Figur immer von den Schuhen her auf – man muss sie von unten nach oben leben.« Wenn Philipp Schulz in der Beschreibung seines Meisterstücks formuliert, »die grazilen Beine sollen den Schrank zu einem dezenten Blickfang machen«, so liegen hier Mime und Meister vermutlich nicht weit auseinander!

Die Kontur der Beine soll mittels ausgedrucktem Aufriss auf den Rohling übertragen werden. Aus der Zeichnung geht nicht hervor, ob die Kontur als freie Form angelegt oder durch exakte Geometrisierung mit Radien und tangentialen Berührungspunkten definiert ist. Das Einarbeiten der Rotationsachsen in das Maßwerk des Möbels würde den beim Korpus gezeigten Präzisionsanspruch untermauern.

Um den Stand des Möbels zu gewährleisten, sollen verstellbare Bodengleiter am unteren Ende der Füße eingearbeitet werden. Möglicherweise wäre, um die charismatische Wirkung der Füße nicht zu stören, ein etwaiger Höhenausgleich an anderer Stelle diskreter zu bewerkstelligen, etwa das Verstellen der Beinlänge im Metall-Zargenrahmen, was zugegebenermaßen auf Kosten des formschlüssigen Materialübergangs ginge. Dies ist allerdings Kritik auf hohem Niveau – nicht nur das Möbel, sondern auch die zugehörige Zeichnung sind eine Augenweide!

Vertikalschnitt: Swiss CDF mit Fenixbeschichtung greift den Charakter des Stahlblechs auf
Die Koffertür schließt mit Magneten und einer eleganten Staubleiste
Die Koffertür schließt mit Magneten und einer eleganten Staubleiste

Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der
Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion.
dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

Der Beitrag Pauken und Trompeten erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Serielle Ästhetik

$
0
0
Die reizvolle Wiederholung gleicher Elemente bestimmt die Front des wandhängenden Sideboards. Doch Schönheit hat ihren Preis: Unterflurführung und Schattenfugen reduzieren das Volumen der Schubkästen auf nahezu die Hälfte des Korpusvolumens.

Mein erster Blick fällt auf das durchlaufende massive Eichenholz der Schubladenfronten, das nur durch Schattenfugen und Zinken unterbrochen wird. Wunderschön! Ich verstehe die Idee, die Schubladen in zwei Höhen optisch frei schwebend aufzureihen. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass auch bei geöffneten Schubladen keine Beschläge sichtbar sind. Die Konstruktion wirft allerdings einige Fragen auf: Damit die Schubladen staubfrei gehalten werden können, hat jede einen 8 mm starken Deckel, dessen gefälzte Kanten oben in den innen genuteten Wangen geführt werden. Für die Schubladenseite ist das eine reißanfällige Konstruktion, weil sie ohne Toleranz zum Quellen und Schwinden zwischen Deckel und Vollauszug eingespannt ist. Bei schwerer Belastung wie der Bestückung mit Weinflaschen kippt zudem auch ein stabiler Auszug im ausgezogenen Zustand etwas nach unten. Dadurch wird der verbleibende Rand der Wange von 4 mm oberhalb der Nut belastet. Gibt der Deckel nach oder die Nut? Der konstruktive Boden unter der Schublade sowie der Deckel sind durch eine zurückspringende Aufdopplung in der Tiefe nur auf 210 mm mit dem Korpus verbunden, sie kragen zur Hälfte aus, wie der Vertikalschnitt zeigt. Aus meiner Sicht eine gewagte Konstruktion, von der ich nicht sagen kann, wie sie sich langfristig unter Last verhält. Auch werden die dadurch realisierten Schattenfugen nur aufwendig zu reinigen sein.

Die Ästhetik der Schubladenfronten leidet etwas durch die in die Vorderstücke eingefrästen Griffe und die von oben sichtbaren Deckel. Mich erinnert diese Aufsicht etwas an Spielzeugkisten! Das Sideboard mit den Außenmaßen 2898 x 586 x 440 mm bietet in den zwölf Schubkästen verhältnismäßig wenig Stauraum: Sie haben ein lichtes Maß von 433 x 385 x 125 mm bzw. 233 mm. Das insgesamt nutzbare Volumen steht zum Außenvolumen des Korpus im Verhältnis von nahezu 1:2. Ob der hohe Materialeinsatz formal und funktional zu rechtfertigen und zeitgemäß ist?

Frontalschnitt: Staubdeckel und Unterflurauszüge führen die massiven Schubkastenwangen ungeachtet ihres Schwundverhaltens in fixierter Höhe
Vertikalschnitt: Halb zurückgesetzte Konstruktionsböden ermöglichen tiefe Schattenfugen

Ursula Maier, Stuttgart, Maître Ébéniste und Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und  2007 an die vierte Generation übergeben.

Der Beitrag Serielle Ästhetik erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.

Viewing all 112 articles
Browse latest View live