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Channel: Die besten Meisterstücke von Tischlern und Schreinern
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Urwüchsig

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Timm Hoffmann hat für sein Säulenmöbel »Twisted Oak« einen Typus zum Vorbild genommen, der Meisterschüler immer wieder zu eigenen Interpretationen angeregt hat. Ursula Maier findet Gefallen an dem rustikalen Dreiklang aus Holz, Leder und Metall.

Ursula Maier, Markgröningen, Maître Ébéniste, Innenarchitektin BDIA

Die Materialen Holz, Leder und Metall steigern sich im Zusammenwirken an diesem gelungenen Möbelstück gegenseitig: Alle drei sind »en vogue«, die rustikale Eiche mit ihren natürlichen Ast- und Trockenrissen, das Reinzinn, das die natürlichen Fehlstellen ausfüllt und das Möbel zum Kunstwerk erhebt und letztlich das Vintage-Leder in seinem bewusst dargestellten Alterungsprozess. Auch die Proportion ist gelungen: Die Aufteilung erfolgt im Goldenen Schnitt. Der Sockel beansprucht etwa ein Drittel der Gesamthöhe, dunkel abgesetzt und weich gepolstert, damit sich Knie und Füße nicht stoßen. In angenehmer Griffhöhe stapeln sich fünf Schubladenelemente, die sich aus ihrer mittleren Position heraus jeweils um 45° nach rechts und links drehen lassen. Durch die Zwischenebene der Rundtischlager entstehen Schattenfugen.
Das Eiche-Starkfurnier ist so gefügt, dass Äste in der Fläche liegen und die ruhige Maserung an den Ecken zusammenläuft. Die reizvolle Zinneinlage inszeniert die vermeintlichen Fehlstellen, anstatt sie zu verstecken. Das Zinn verbindet sich nicht mit dem Holz, daher wurden in den Rissen zusätzliche Bohrungen zur Verankerung gesetzt und das Zinn eingegossen. Auch in rustikalem Eicheparkett ist das Füllen von Rissen und Ästen mit farbigem Holzkitt inzwischen häufig zu sehen.
Dieses Möbel wurde für Wertgegenstände und Accessoires für eine Kundin gebaut. Mich würde interessieren, wie es in dünneren Querschnitten wirken würde. Gut, dass die Inneneinteilung der Schubkästen sich herausnehmen und individuell ergänzen lässt. Mit Leder belegte Böden sind als Unterlage für Schmuck ideal. Die Schubladen sind mittels einer verdeckt eingefrästen Griffmulde nur bei verdrehtem Korpus zu öffnen – eine großartige Geheimfachidee.

Historisierende Form

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Joscha Weinberg hat sich bei der Gestaltung seines Meisterstücks von den Stilepochen Barock und Rokoko inspirieren lassen. Das Bar-Möbel zeigt bemerkenswerte selbst entwickelte Details, die Gebrauchsfunktionen überzeugen hingegen nicht vollständig.

Eckhard Heyelmann, Garmisch- Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer, Schulleiter a.D.

In der Ansicht zeigt sich ein dunkelbraunes, fast schwarzes Stilmöbel – eine aufgebockte Truhe mit auffälligem Kontrast zwischen dem lastenden voluminösen Korpus und den geschweiften, sich nach unten verjüngenden Beinen. Das Bar-Möbel lehnt sich in der Linienführung an Vorbilder aus dem 18. Jahrhundert an. Dies gilt vor allem für die mittels Fremdfedern an die unteren Ecken des auf Gehrung gearbeiteten Korpus angedockten Beine, deren Schwung von der bauchig gestalteten Front wirkungsvoll aufgenommen wird. Um die stark kontrastierende Form der Beine optisch deutlich vom Korpus abzusetzen, sind die Innenflächen in heller Eiche furniert. Dadurch wirkt der bauchige Teil des Beines wie angeschnitten, was gestalterisch nicht überzeugt. Eine klarere Abgrenzung beider Elemente durch Freistellung der Beine könnte eine Alternative sein.
Das Bar-Möbel dient sowohl zur Aufbewahrung von Flaschen, Gläsern und Zubehör als auch zur Zubereitung von Getränken. Es lässt sich öffnen, indem der abschließbare zweigeteilte Deckel zu beiden Seiten umgeklappt wird. Das offene Möbel zeigt sich achsensymmetrisch bestimmt und durch helle Kanten kontrastreich strukturiert. Durch die Hebelkräfte erscheint die beabsichtigte Nutzung der Deckelinnenflächen als Zwischenablage eher fragwürdig. Der zur Aufbewahrung von Flaschen vorgesehene, tiefe Bereich im hinteren Korpus ist vor allem bei geöffneten inneren Klappen schlecht zugänglich. Mit Leder belegt und gerahmt sind sie als Zubereitungs- und Abstellflächen für Getränke nur bedingt geeignet; auch kann im Gebrauch das schmale Lederband die stark dimensionierten Klappen schwerlich halten. Mit 125 mm Höhe ist der für Gläser vorgesehene, durch einen mit Leder belegten Zwischenboden begrenzte Bereich sehr niedrig ausgelegt. Dieses Meisterstück entspricht dem aktuellen Trend zu historisierenden Formen. Joscha Weinberg hat eigenständig bemerkenswerte Details entwickelt. Ein Versatzstück aus historischen Kunstepochen in den Entwurf einzubeziehen, ist anerkennenswert, im Sinne einer durchgängigen Gestaltung aber noch nicht zu Ende gedacht.

Eckhard Heyelmann

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»Allein die historisierende Form ergibt noch keine überzeugende Gestaltung.«

Kür auf dem Wasser

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Patrick Baschner hat sich im Rahmen seiner Meisterprüfung an der Fachschule für Holztechnik und Gestaltung Hildesheim den Traum von einem selbst gebauten Kanadier erfüllt. Sein Bericht zeigt, wie tief er sich dazu in die neue Materie eingearbeitet hat.

Patrick Baschner

Vor dem Bau eines Kanus steht die Frage nach Kajak oder Kanadier: Ein Wildwasserkajak ist möglichst kurz, um enge Manöver durchführen zu können. Es bietet keinen Platz für Gepäck und ist nicht für längere Touren geeignet. Tourenkajaks zeichnen sich durch ein geschlossenes Deck aus, der Schwerpunkt ist durch die Sitzposition relativ weit unten. Oft ist ein Ruder angebracht, mit dem sich besser Kurs halten lässt. Bei einem Kanadier liegt der Schwerpunkt weiter oben. Er ist breiter, um genügend Stabilität im Wasser aufzuweisen – so steht auch mehr Stauraum zur Verfügung und das offene Deck gewährt mehr Bewegungsfreiheit als bei einem Kajak. Der Kanadier benötigt durch das Fehlen eines Ruders eine bestimmte Länge, um kursstabil zu bleiben – so finden hier auch mehrere Personen Platz.
Ich habe mich für den Bau eines Kanadiers in traditioneller Leistenbauweise entschieden. Hier wird zunächst ein Bock erstellt, auf dem sich die Mallspanten befinden. Sie sind so positioniert, dass sich an ihnen der Rumpf erstellen lässt. Dazu nehme ich profilierte Leisten von 6 x 20 mm, biege sie in Form und klemme sie mithilfe von Zwingen über die ganze Länge an jeden Mallen. Auf diese Weise verleime ich pro Arbeitsgang drei bis vier Leisten übereinander. Wenn alle Leisten verleimt sind und der Rumpf geschlossen ist, können die Mallen entfernt werden. Nachdem die Übergänge nachgearbeitet sind, wird der komplette Rumpf von innen und von außen mit Glasfasergewebe und Epoxidharz überzogen – so ist das Holz bestens geschützt und dennoch zu sehen. Zum Schluss werden die massiven Innen- und Außensteven, das Deck und die Duchten sowie der Sitz angepasst und am Rumpf befestigt.
Die Form bestimmt die Funktion
Jedes der vielen Elemente der Rumpfkontur hat großen Einfluss auf das Fahrverhalten. Sie sollten daher fein aufeinader abgestimmt sein. Es macht einen großen Unterschied, ob man seine Touren in wildem Gewässer, auf offenem Meer, einem See oder in einem ruhigen Fluss bestreitet. Durch den eigenen Entwurf kann auf alle Eigenschaften des Kanus Einfluss genommen werden. Der Boden ist für die meisten Fahreigenschaften entscheidend: Ein flacher Boden lässt mehr Zuladung zu und das Wasser von seitlichen Wellen schwappt nicht so schnell über, jedoch kann das Boot durch die hohe Verdrängung schnell kentern. Bei einem runden Boden hat es die geringste benetzte Oberfläche, wodurch einfacher höhere Geschwindigkeiten zu erreichen sind. Dadurch kann allerdings weniger zugeladen werden und Wasser schwappt schnell über die Seiten. Ein flach gekrümmter Boden ist für leichte Boote ein guter Kompromiss. Für meinen Kanadier kombiniere ich die flache Krümmung mit einem V-Boden. Ein flacher V-Boden erhöht zwar die benetzte Oberfläche, doch das V wirkt auch wie ein Kiel und hält das Boot besser auf Kurs. Die Kielformen reichen von komplett geraden Kielen bis zu extrem gebogenen. Je stärker der Steven einfällt, desto kürzer die Wasserlinie. Bei zu stark einfallenden Steven wird die Windangriffsfläche zu groß, sodass man stark gegenlenken muss, was nur unnötig Kraft kostet. Ein mäßig einfallender Steven verkürzt die Wasserlinie nur etwas, dadurch lässt sich leichter die Richtung wechseln.
Immer geht es darum, aus den Vorstellungen des perfekten Kanadiers eine Konstruktionszeichnung zu erstellen. Besonders wichtig ist der Spantenplan, nachdem die Mallen gefertigt werden, die zum Bau des Rumpfes erforderlich sind. Ohne jahrelange Erfahrung ist es fast unmöglich, ein Kanu selbst zu konstruieren. So habe ich einen Plan ausgewählt und die Spanten so umgeändert, dass sie meinen Ansprüchen möglichst nahe kommen.
Massive Anbauteile
Einige massive Bauteile ergänzen den Rumpf des Kanadiers. Die Weger verleihen im Stabilität, haben aber noch weitere Funktionen: Der Außenweger fängt Spritzwasser ab und schützt den Rumpf bei seitlichen Kollisionen. Am Innenweger werden die Sitze befestigt. Ausklinkungen an der Rumpfseite erleichtern das Ablaufen von Wasser, wenn das Boot umgedreht ist. Außerdem sind sie praktisch, um Gegenstände zu befestigen. Die Weger werden zu den Enden verjüngt, sodass sie sich harmonisch in das schlanke Ende des Kanus einfügen.
Das massiv mit zusammenlaufender Maserung verleimte Deck hält die Seiten des Kanus an Bug und Heck zusammen, Duchten sorgen in der Mitte für Stabilität. In diesen Kanadier werden zwei Sitze eingebaut. Weil mein Kanu für mehrtägige Touren konzipiert ist, sollen die Sitze bequem und zugleich widerstandsfähig sein. Ich habe sie daher mit breiten, gewebten Gurten bespannt, welche die gedübelten Verbindungen der Rahmenhölzer verdecken. Die Sitze werden mit verdeckten Gewindeschrauben am Innenweger befestigt. Als Bespannung kämen alternativ auch Hartholzleisten, Rohrgeflecht, Sperrholz oder Lederschnüre in Frage.

Bücher

Ted Moores: Canoecraft – Die Kunst, ein Kanu zu bauen. Von der Linden, 2002. ISBN-13: 978-3926308085
Ted Moores: KayakCraft – Leistenbauweise für hochwertige Kajaks. Von der Linden, 2005. ISBN-13: 978-3926308092 (zur Zeit vergriffen)
Gil Gilpatrick: Building a Strip Canoe. Fox Chapel Publishing, 2011. ISBN-13: 978-1565234833 (Englisch)
Susanne Van Leuven: Illustrated Guide to Wood Strip Canoe Building. Schiffer Pub Co, 1998. ISBN-13: 978-0764305375 (Englisch)

Eine Frage des Blickwinkels

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Mit seinem teilmassiven Phonosideboard bezieht sich Sebastian Ludwig auf den Stil der 1950er- und 1960er-Jahre. Ursula Maier möchte das Wesentliche dieses Stils klar benennen, damit es besser erkannt und im eigentlichen Sinne umgesetzt werden kann.

als Schreinermeisterin bin ich vom Stil der 1950er- und 1960er-Jahre geprägt worden: Die Formen waren filigran, das Material war wertvoll und teuer und wurde aus diesem Grunde äußerst sparsam eingesetzt. Die Gestalter wetteiferten in den Nachkriegsjahren um die reduzierteste Form! Der »Schneewittchensarg« von Hans Gugelot und Dieter Rams ist dafür ein gutes Beispiel. Er wurde 1956 als Kombination aus Radio und Plattenspieler von Braun vorgestellt und erreichte Kultstatus.

Das »Sideboard« ist eine internationale Weiterentwicklung der ursprünglich aus der Bauhausidee konzipierten modernen Anrichte und hat nach dem Krieg auch in Deutschland das zeitgemäße Wohnen geprägt. Insbesondere die Dänen waren Meister und Vorbilder dieses Stils und in der Leichtigkeit ihres Möbeldesigns kaum zu übertreffen. Im hier vorgestellten Möbel sehe ich jedoch sehr viel Rustikales mit teilweise üppigem Materialeinsatz! Optisch sieht das Sideboard schwer aus. Deshalb stehe ich der Behauptung, die Möbelform sei an die 50er-Jahre angelehnt, skeptisch gegenüber. Dies gilt besonders in Bezug auf das wuchtige Gestell mit seinen schräg ausgestellten Füßen, teilweise aber auch in Bezug auf den massiven Einsatz der Eichenprofile in der Front. Ich habe das Fußgestell auf dem Foto weggeknickt – und erkenne ein im Rhythmus sehr gelungenes Möbel! Das gilt auch für die Teilung zwischen Türen und offenem Fach mit darüber liegender Plattenspielerklappe. Die Front wirkt ohne Fußgestell leichter, mit dem Fußgestell stand sie dazu in Konkurrenz.
Ich könnte mir das Möbel mit passendem Sockel oder vielleicht originellerem Fußgestell vorstellen. Eine Alternative dazu wäre, das Sideboard ohne Fußgestell in einer bedienungsfreundlichen Höhe direkt an die Wand zu hängen. Das Wesentliche wäre dann die Front in ihrer sehr reizvollen Optik: Durch die Bewegung des Betrachters zeigt sie sich je nach Standpunkt hell oder dunkel, was mittels der dekorativ eingesetzten V-Nut und dem Wechsel von Eiche und Mooreiche erreicht wird. Es wäre ein zeitloses, handwerklich wunderschönes Möbel!

Truhe, Bank oder beides?

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Andreas Schmid nennt sein Meisterstück »Bett-Truhe« und knüpft damit an einen etwas in Vergessenheit geratenen Möbeltypus an. Für Peter Litzlbauer liegt hier eine Kombination aus Truhe und Bank vor, ausgeführt in unkonventioneller Massivholzbauweise.

Der Name Bett-truhe ist etwas irreführend für diesen Möbeltypus, handelt es sich doch eher um eine moderne Version einer Truhenbank, die sich aus der alten Wäschetruhe weiterentwickelt hat: Die ursprünglich tragbare Wäschetruhe, in der sich in frühen Zeiten auch die Mitgift ansammelte, wurde später von der Bank mit Stauraum abgelöst, die heute etwas in Vergessenheit geraten ist und in diesem Meisterstück eine Wiedergeburt findet.

Die Kombination aus Truhe und Bank zeigt sich markant in dem dreischichtigen Aufbau aus Fuß, Korpus und Deckel. Die Deckelwölbung erinnert an die Truhe. Der längliche Truhenkorpus sitzt auf vier schräg nach außen gerichteten Füßchen und vermittelt den Eindruck einer Bank, die zusätzlich mit der breiten umlaufenden Nut an Leichtigkeit gewinnt, gleichfalls unterstützt durch die untere Bodenwölbung.
Eine gestalterische Meisterleistung ist die feine Gliederung der Flächen durch aneinandergereihte formgefräste Tannenhölzer mit unterschiedlichen Breiten. Der elegante Schwung dieser Konstruktion wird leider nur am mittleren, feststehenden Teil des Truhendeckels nach Öffnen der seitlichen Deckel sichtbar. Konsequenter wäre es gewesen, diesen Schwung auch in der Seitenansicht zu zeigen, um dem hier sehr flachen Erscheinungsbild entgegen- zuwirken. Das auf Gehrung zusammengeführte Längsholz der Front mit den Querholz zeigenden, in Tanne-Starkfurnieren schichtverleimten Seiten durchbricht auch optisch die Massivholzbauweise.
Die außergewöhnliche Materialkombination von grauem Filz und feinjährigem Tannenholz gibt der Truhenbank einen zeitgeistigen Akzent und unterstützt ihre formale Gliederung. Eingehängte Filztaschen an der Innenseite des Truhendeckels erhöhen zwar den funktionalen Anspruch, sind in der Handhabung aber vermutlich zu umständlich und dominieren bei geöffnetem Deckel sehr stark. Auch die filzüberzogenen Füßchen sind formal etwas gewöhnungsbedürftig, schützen gleichwohl gegen Beschädigung des weichen Holzes.
Die besondere Liebe zum konstruktiv richtigen Umgang mit Massivholz wird in vielen Details des Möbels sichtbar. Andreas Schmid erweist sich hier als Meister seines Faches, der sich neuen Aufgaben stellt und zu eigenen Lösungen findet.

Heitere Flächen

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Als Meisterstück schwebte Stefan Goldbrunner eine vielseitig nutzbare Kommode aus einheimischem Holz mit natürlich behandelter Oberfläche vor. Entstanden ist ein zeitlos elegant anmutendes Möbel in harmonischen Maßverhältnissen.

Auf einem einfachen, geradlinigen Fußgestell sitzt abgesetzt durch eine starke Schattenfuge ein schlichter Korpus aus heimischem Lärchenholz, der die als Farbakzent mit Linoleum belegten Schubladenfronten wie ein Rahmen umfasst. Die nachhaltige Oberflächenbehandlung durch Ölen befeuert den typischen rötlichbraunen Farbton des Lärchenholzes. Konstruktiv finden tradierte Holzverbindungen wie Schlitz und Zapfen und halbverdeckte Zinken sichtbar ihre Anwendung. Auch das Korpusinnere ist eine Referenz für den meisterlichen Umgang mit Massivholz. Hier finden sich im Sinne der Nutzungsanforderung weitere Schubladen, Einsätze und Fächer. Bemerkenswert ist aber vor allem der geometrische Aufbau dieser Kommode. Es beginnt mit dem harmonischen Maßverhältnis im Goldenen Schnitt von Länge und Höhe der gesamten Kommode zu den Höhen von Fußgestell und Korpus und setzt sich fort in der Aufteilung der Frontfläche. Es ist eine große Freude zu entdecken, wie spielerisch Stefan Goldbrunner den einfachen Rhythmus der fünffachen Teilung in der Horizontalen und die vierfache Teilung in der Vertikalen für unterschiedlich große Schubladen durchbricht. Die locker neben- und übereinander angeordneten Quadrate und Rechtecke lassen die Kommode in einer heiteren Anmut erstrahlen, die mit den beiden offenen Fächern noch gesteigert wird. Diese Heiterkeit in der Flächenaufteilung wird durch feine, linear aufgesetzte Griffleisten und die tiefe Zurücksetzung der Schubladenfront wieder eingefangen und durch den umrahmenden Korpus zusammengehalten. Stefan Goldbrunner hat ein konstruktiv und gestalterisch exzellentes Meisterstück entwickelt.

Abkehr von der ersten Idee

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Kantig und asymmetrisch steht der Schreibtisch von Erik Clauß im Raum. Kaum zu glauben, dass der erste Entwurf noch rund und symmetrisch war! Axel Müller-Schöll hat sich mit der Entwurfsgeschichte befasst – und hält die erste Idee für die überzeugendere.

Ein ambitionierter Entwerfer versieht seine Skizzen stets mit Datum und legt sie, sofern er sie nicht in ein Buch gezeichnet hat, ordentlich ab. Nicht aus Pedantismus, sondern als eine pure Rückversicherung – denn im Laufe des weiteren Entwurfsprozesses hilft ihm der Zugriff darauf, sich zu vergewissern, ob er sich immer noch auf dem Weg der Verbesserung befindet oder ob – aus vordergründig pragmatischen oder rationalen Gründen – die ursprüngliche Idee (und sei es nur die instinktive Ahnung von einer Form) verloren gegangen ist. Erik Clauß hat seiner Dokumentation wunderbare Renderings und eine Aufnahme seines 1:1-Modells beigefügt und ermöglicht uns so einen Einblick, wie er sich schrittweise der Umsetzung seines Entwurfs genähert hat.

Kern seiner Ausgangsidee war, »ein einfaches, funktionales Möbel mit reduzierter Materialstärke und gleichzeitig hoher Stabilität zu entwickeln«. Die erste Studie zeigt, wie er sich dies vorgestellt hat: Ein eleganter, cremefarbiger und waagerechter Körper mit abgerundeten Ecken, der nur mit einer hölzernen Haut bezogen zu sein scheint. Die Längsaussteifung erfolgt im Verborgenen über nur eine zentrale Mittelzarge – eine ebenso elegante, wie überzeugende Strategie der visuellen Reduktion. Das Prinzip hat Erik Clauß in den darauffolgenden Schritten zwar beibehalten, doch die Stringenz blieb auf der Strecke. Das zweite Rendering zeigt mit dem Aufgeben der Verrundung des zentralen Körpers den ersten Schritt zurück zur Konvention und die Entscheidung, den Korpus asymmetrisch auszuführen, verkomplizierte weiter die Form. Am Ende mutierte die Idee der Schichtung zu einer Art Futteral für beidseitig eingeschobene Schubladen. Eine handwerklich überzeugende Leistung ist es allemal – und das charmante Sandwich bleibt Dank der überzeugend plädierenden Darstellung nach wie vor eine Option.

Meister der Winkel

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Mit seinem Schreibtisch aus Eiche, Mineralwerkstoff und in Nextellack gekleideter MDF ist Patrick Föhner ein kühner Wurf gelungen. Ursula Maier begeistert sich gleichermaßen für die Modernität, die Handwerklichkeit und die virtuose Geometrie des Möbels.

Der erste Blick auf dieses Meisterstück hat mich bereits fasziniert – so viel Freude an Geometrie strahlt selten ein Möbel aus! Zum Vergleich aus der Architektur fällt mir das jüdische Museum von Daniel Liebeskind in Berlin ein, der ebenfalls meisterhaft Winkellinien setzte. Der Schreibtisch ist modern und zeitgemäß, zugleich von handwerklicher Schönheit, kontrastreicher Materialität und kluger Mathematik: Kein Winkel wurde hier willkürlich gesetzt, die Linien spielen miteinander und ergänzen sich. Der Tisch ist in seiner Längsachse mit der Seitenwange und dem mittig gesetztem Dreieckfuß symmetrisch aufgebaut. Die Seitenwange verjüngt sich beidseitig um 80°. Die Platte und die um 70° abgewinkelte Seitenwange sind durch Fingerzinken optimal verbunden. Das Pendant zur Seitenwange bildet der im Winkel von 55 ° bzw. 40° gesetzte Dreieckfuß, der sich nach oben verjüngt und dem Tisch durch die große Standfläche Stabilität verleiht. Durch die unterschiedlichen Schrägen des Fußes bekommt er eine zusätzliche Dynamik. Der von außen in das Fußgestell eingeschobene Korpus mit Schublade sorgt als Gegengewicht für Balance, so kann gar nicht erst der Eindruck entstehen, der Tisch knicke ein. Die Abschrägung der Tischplatte verläuft im Winkel von 70° parallel zum eingeschobenen, dem Benutzer zugewandten Schubkastenteil.

Trotz seiner stattlichen Größe von 2200 x 860 mm wirkt der Schreibtisch leicht und grazil, fast wie ein Flugobjekt, japanisch gefaltet! Unter der Deckschicht aus 12 mm Mineralstoff verbergen sich eingefräste Mulden in der massiven Eichenholzplatte – infolge der abgeschrägte Fläche, die sich auf Profilschienen nach hinten verschieben lässt, ist auch der Bereich an der rechten Seite nutzbar. Das Möbel ist in seiner Geometrie und Funktionalität optimal durchdacht. Die Kombination der Materialien (massive Eiche mit Mineralwerkstoff und wildlederartigem Nextellack) und die gekonnte Fügung der Bauteile unterstreicht die beeindruckende Dynamik.

Konsequent gedacht

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Adam Czernia hat mit seinem Meisterstück vorrangig ein Ziel vor Augen, nämlich seine High-End-HiFi-Ausstattung optimal in einem Hängesideboard unterzubringen. Nicht nur das ist ihm sehr gut gelungen – es entstand ein rundum interessantes Möbelstück.

Technische Vorgaben wie die Belüftung und Anschlüsse der einzelnen Hifi-Geräte sind bei diesem Meisterstück präzise formuliert. Die Funktion, leichte Zugänglichkeit und Handhabung der Geräte liegen im Fokus der Gestaltung. Um diese an sich selbst gestellten Vorgaben herum entwickelt Adam Czernia ein spannungsgeladenes Möbel, indem er Volumen unterschiedlicher Materialität versetzt ineinander schiebt und dieses Konzept durch schräge Konturen steigert: Die abgeschrägte Front erhöht die Plastizität des Möbels und lässt es raumgreifend in Erscheinung treten. Diese Schräge könnte noch kräftiger angesetzt sein, um der Gestaltung größere Kraft zu verleihen! Ein über dem Möbel geplanter LED-Bildschirm ist für die Gestaltung von untergeordneter Relevanz.

Gut gewählt ist die Teilung 3:1 mit dem größeren Anteil in Zebrano. Mit den gegenläufigen Schrägen an der Unterkante der Front wird ein noch größeres Raumgefühl erzeugt, weil die sich mittig kreuzenden Linien die perspektivische Ausstrahlung des Möbels steigern. Diese Wirkung wird durch das Furnierbild hervorragend unterstützt. Mittig angeordnete Griffe bringen die Asymmetrie der Front wieder etwas ins Gleichgewicht. In der Aufsicht verjüngt sich Zebrano unproportioniert zum Lack und widersprüchlich zur Ausführung im Inneren des Möbels. Vielleicht liegt darin aber auch eine bewusste Umkehrung der Front.
Die Innenaufteilung ist auf die integrierte Technik ausgerichtet. Hinter stoffbespannten Rahmen liegen perfekt eingebaute Lüfter, die eine Luftzirkulation im Möbelgehäuse sicherstellen. Der Subwoofer ist auf der rechten Seite eingebaut. Sein Schall tritt durch eine große Aussparung im Boden aus, ohne dass sich Vibrationen auf den Korpus übertragen. Kabel und Steckdosen sind unsichtbar in Hohlräumen integriert und lassen den technischen Anteil dieses Möbels von außen verschwinden. Mit einfachen geometrischen Mitteln wurde hier eine hervorragende gestalterische Antwort auf die strenge Nutzungsvorgabe gefunden.

Prof. Peter Litzelbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, lehrt Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Fachbereich Architektur und Design.

Ruhe und Bewegung

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Zwei aktuelle Meisterstücke aus der Meisterschule München könnten auf den ersten Blick Geschwister sein – in stilsicherer Materialzuweisung zeigen sie einmal statisch und einmal dynamisch in Stollengestelle eingebundene Korpusstrukturen.

Der Büroschrank von Stefan Wendlinger ist in Stollenbauweise aus sechs Rahmen aufgebaut. Alle Eckverbindungen sind auf Gehrung gearbeitet und mit Formfedern verleimt, alle T-Verbindungen sind gedübelt. Die zweischalig aufgebauten Ausfachungen sind über eingenutete Tannenleisten mit dem Korpus verbunden. Umlaufend ergibt sich eine Schattenfuge, welche die filigrane Erscheinung des Möbels betont. Ausfachungen und Fronten sind mit dem HPL Fenix in einem warmen Grau beschichtet. Der tiefmatte, samtige Charakter des Materials harmoniert sehr gut mit dem Tannenholz. Die beiden Schubkästen sind auf Ahornkulissen geführt und mit Tip-on-Beschlag zu öffnen. Der obere kann mit einem Magnetschloss verriegelt werden. Als Einzugsbegrenzungen wurden mit Rändelschrauben einstellbare Beschläge der Firma Eberhard verbaut. Die drei Türen sind mit geraden Zapfenbändern angeschlagen, die Zuhaltung erfolgt über Magnete. Mit überbeschichteten Magneten und passendem Gegenstück lassen sich die Türen grifflos öffnen. Der offen gehaltene Bereich auf der rechten Seite des Büroschranks ist durch einen Glasboden unterbrochen, der die Präsentation von besonderen Schreibutensilien ermöglicht. Dieser Bereich wird von oben beleuchtet.

Die durchkomponierte Rahmenkonstruktion des Möbels aus quadratischen Tannenholzprofilen bildet die Grundstruktur, geerdet auf einem Betonsockel und spielerisch ausgefüllt von Füllungen, Türen und Schubkästen in ästhetischer Proportionierung. Das gelungene Konzept wurde mit dem Gestaltungspreis der Meisterschule München ausgezeichnet.
Auch der Raumteiler von Stephan Schantl zeigt geschlossene und offene Korpuselemente in einem Stollengestell. Die äußeren Eckverbindungen laufen auf Gehrung zusammen und sind mit Winkeldübeln verleimt. Weitere Stollen sind mit einer Ausklinkung formschlüssig verbunden und gedübelt. Zusätzlich gewährleisten in der oberen Ebene Verstrebungen die nötige Aussteifung. Unterseitig lackierte Glasböden liegen mit Vorlegebändern auf Zwischenböden aus Multiplex und füllen flächenbündig das Innenmaß der Rahmen. Die unteren Ebenen des Möbels sind über spiegelbildlich aufgesetzte Gehäuse verknüpft, die in der Ansicht eine mäanderförmige, dunkelgraue Blende ergeben. Es entstehen stirnseitig offene und geschlossene Stauräume, die durch Glasfachböden unterteilt werden. An verdeckten Laufschienen sind die hellgrünen Korpuswürfel beweglich montiert, sie schweben förmlich über die Glasflächen und laden zur spielerischen Veränderung der Ansicht ein.
Die Farbgebung verdeutlicht das Zusammenspiel der Elemente: Der statische Teil in kühlem Grau trifft auf den dynamischen Teil in hellem Grün. Der warme Naturton der Eiche setzt einen Rahmen. Das Möbel basiert auf dem Goldenen Schnitt. –JN

Quader auf Rehbeinen

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Bernd Stelzer ist eine bemerkenswerte Neuinterpretation des klassischen Sekretärs gelungen. Das Meisterstück zeigt durchweg eine sehr anspruchsvolle handwerkliche Qualität, insbesondere auch bei den selbst entwickelten, technisch raffinierten Beschlägen.

Auffallend an diesem symmetrisch aufgebauten Möbel ist der spannungsvolle Kontrast zwischen dem lastenden Quader und den sich allseitig nach unten verjüngenden, schräg gestellten Beinen. Deren sehr gelungene Formgebung legt eine Orientierung an der Gestaltung von Schreibmöbeln des 18. Jahrhunderts nahe. Tierbeine und -füße waren Vorbilder aus der Natur und Sinnbild für Leichtigkeit und Grazilität. Hier sind die jeweils aus drei Teilen in verschiedenen Winkeln auf Gehrung zusammengesetzten Beine aus Eiche paarweise verstrebt und fachgerecht gefügt. Sie haben im oberen Bereich eine leichte Neigung nach innen und sind mit zwei Traversen verbunden, auf denen der Korpus liegt. Dieser sitzt dadurch nicht auf dem äußersten Bereich des grazilen Fußgestells auf, sondern bewusst in einem Abstand, der ihn optisch vom Untergestell löst. Der umlaufend in schlicht und gleichmäßig gemaserter Eiche furnierte Korpus wirkt kastenförmig, geradlinig und flächig. Er lässt sich über eine Griffausfräsung in der Klappe öffnen. Dabei faltet sich gleichzeitig der zweigeteilte Deckel bis zur Hälfte auf, dies ermöglichen ein Gelenkarm und ein Seilzug, der am schön gearbeiteten Klappenhalter befestigt ist. Er ist zwischen Innen- und Außenseite eingebaut und durch eine Bürste abgedeckt. Die Klappe bildet im aufgeschlagenen Zustand eine gut einsehbare ebene Arbeitsfläche. Beim Schließen sind Klappe und Deckel durch eingenutete Filzstreifen auf den Kanten und Innenseiten einzugsgedämpft.

Der klassische Sekretär hat sich aus dem kompakten Schreibschrank entwickelt. Als Vorgänger des Schreibtisches diente er mit seinen Schubladen und verschiedenen Ablageflächen vor allem dazu, Papier und Akten zu ordnen sowie Schreibutensilien und Arbeitsunterlagen zu verstauen. Das flexible digitale Arbeiten und Aufbewahren ersetzt zunehmend die manuelle Schreibarbeit. Bernd Stelzer trägt in seinem Entwurf dieser Entwicklung durch sinnvoll reduzierte Ablage- und Aufbewahrungsfunktionen Rechnung. Die gestalterisch bestehende und gewollte Spannung zwischen Korpus und Gestell ließe sich noch steigern, wenn der Korpus außen richtungslos farbig als Schale um den hölzernen Kern gestaltet würde.

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Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990 bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

Himmel und Hölle

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Dominik Volkert hat ein Hängesideboard in der Eleganz der 1980er-Jahre entworfen: Makassar und mattschwarzer Lack, eine angedeutete Durchdringung, Klappe, Schubkästen und Tür. So weit, so gediegen – bis die Tür ihr Geheimnis offenbart.

Sachgerechtes Bewerten eines Möbelentwurfes ist so eine Sache. Will man Geschmackspäpstelei vermeiden, kann man drei objektivierende Kriterien dafür ins Feld führen: dient es dem intendierten Zweck, steht der dafür betriebene Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zum potentiellen Nutzwert; überzeugt die Qualität der Konstruktion und wird die Ausführung ihr gerecht. Letzteres kann dem Meisterstück von Dominik Volkert vorbehaltlos attestiert werden. Die Frage nach der Angemessenheit dagegen ist schwierig zu beantworten, denn weder sieht man dem Möbel seinen Zweck an, noch geht dieser aus der Beschreibung hervor! Die Klappe ist in Größe und Lage zum Schreiben eher ungeeignet und für einen Barschrank fehlt es für Gläser und Flaschen an der erforderlichen Höhe.

Ich persönlich habe mir zum Prinzip gemacht, bei der Beurteilung eines Entwurfes als Metakriterium den Grad zu nehmen, mit dem die Ansage eingelöst wurde. In diesem Fall bestand die Idee des jungen Meisters zum einen darin »ein elegantes Möbel mit klarer Formensprache zu gestalten«. Ob ihm dies nun gelungen ist – da bin ich eher skeptisch: Die Fronten haben nicht viel mit dem Platzangebot dahinter zu tun, die Furnierrichtungen gehen rüber und runter, überlagert von eher willkürlichen Schrägen und ohne Hinweis, wie man den Kasten bedient. Der zweite Teil der Ausgangsidee, »Raffinessen erst auf den zweiten Blick erkennbar werden« zu lassen, ist dagegen in der Umsetzung geglückt! Ein gebautes Rätsel, griechisch Enigma, legitimiert auch den aufwendigen und in der Funktionsweise verblüffenden Beschlag. Kunden zu demonstrieren, zu welcher handwerklichen Präzision man im Stande ist, wäre in diesem Sinne dann auch der die Mittel heiligende Zweck.

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Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion. dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

Eigentlich ein schönes Stück!

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Der Schminktisch von Manuel Deryckere gefällt durch seine Polarität: Das Gestell aus Eschenholz umfasst den in Räuchereiche furnierten Korpus wie einen kostbaren Kristall. Die Funktionen des Möbels findet Ursula Maier aber noch nicht zu Ende gedacht.

Eigentlich hat das Möbelstück eine aparte Form: Es zeigt eine schöne Holzauswahl mit exponierten klassischen Holzverbindungen des Gestells und dem eingeschobenen Korpus. Ich frage mich nur, warum die Benutzbarkeit unter der gewählten Konstruktion derart leiden muss? Gut, die Klappe mit integriertem Spiegel ist typisches Merkmal eines Schminktisches. Der Stauraum darunter ist durch die Orientierung der Schubladen hier aber nur bedingt nutzbar: Ablegen lässt sich dort nur etwas, wenn beide Schubladen geschlossen sind, es lässt sich jeweils nur eine Lade ganz öffnen und das auch nur, wenn zuvor die Klappe geöffnet wird. Wozu diese Einschränkungen?

Die Schubladen sind mit Filz ausgelegt, vermutlich wurde hier an Schmuck gedacht. Tiegel müssen also einen eigenen Behälter haben, der gut zu reinigen ist. Die Schminkutensilien dürfen nicht höher als 93 mm sein; höhere Flakons oder Dosen müssen leider oben beidseitig der Klappe stehen, was die Ästhetik des Möbels nicht fördert. Die Klappe ist recht schwer. Von Spiegel und Winkelblende muss die Benutzerin das Gewicht anheben und die Klappe vorsichtig gegen das scharfkantige Rahmengestell lehnen, damit sich die Kante nicht abzeichnet. Beim Schließen muss sie noch sorgsamer vorgehen, zumal die schwere Klappe auf einer verkürzten Gehrungskante aufliegt. So kann es leicht passieren, dass sich Platte und Front an der Gehrung aufspalten. Bei einer frontalen Anordnung der Schubladen hätte man den Drehpunkt der Klappe einrücken und ihr Gewicht durch ein Gegengewicht ausgleichen können – die Klappe läge dann beidseits auf Mittelleisten auf, der Spiegel wäre nach Wunsch verstellbar. War es die Angst vor der Statik, die zu der aktuellen Lösung geführt hat? Für mich ist der schöne Entwurf an dieser Stelle nicht zu Ende gedacht!

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Ursula Maier, Markgröningen, Maître Ébéniste und Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und 2007 an die vierte Generation übergeben.

Virtuos umbauter Raum

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Der solitäre Vitrinenschrank von Jonas Treugut setzt sich aus zwei übereinanderliegenden, gegensätzlichen Kuben und einem ausgesparten Volumen zusammen. Eine Annäherung von Prof. Peter Litzlbauer.

Ein Sockelgestell aus schwarz lackierten Metallprofilen betont in feinen Linien die Kanten des unteren Kubus und lässt den aufliegenden, wuchtig anmutenden Holzkubus über dem Boden schweben. Feinjähriges, horizontal verarbeitetes Tannenfurnier unterstützt die blockhafte Ausstrahlung ebenso wie auf Gehrung angeschlagene Türen. Konterkariert wird diese Wirkung leider durch die sichtbaren Türbänder. Mit einer subtilen Linienführung in der Unterteilung der Frontfläche mildert Jonas Treugut den massiven Eindruck: Eine feine vertikale Linie teilt die Türen in asymmetrische Hälften, die von einer horizontalen, dick aufgesetzten Grifflinie durchbrochen werden. Sie endet in der Mitte der schmaleren Tür und lässt dadurch die Vertikalität des Schrankes bestehen. Die Oberfläche des leicht gebürsteten, innen und außen unaufdringlich mit Holzseife behandelten Holzes setzt das Möbel in ein samtenes Licht.

Ein weiteres Gestaltungselement ist eine über Eck geöffnete Nische. Mit von Tannenholz umrahmten, dunkelgrauen filzbekleideten Flächen wirkt sie wie ein eingeschobener, lochartiger Fremdkörper in dem massiv erscheinenden hellen Holzblock. Der kräftige Kontrast ist sicher gewollt, könnte durch helleren Filz oder Beibehalten des Tannenholzes in den Flächen jedoch subtiler in Szene gesetzt werden. Im Inneren des Schrankes integriert Jonas Treugut raffiniert die Anschlüsse für aufladbare Kommunikationsgeräte sowie die Beleuchtung der Vitrine. Eine Affinität für Filz wird auch in der Umhüllung der Schubkästen deutlich. Ästhetisch schmiegt er sich wie eine zweite Haut über Vorderstück und Boden, die dadurch in der Seitenansicht wie ein liegendes L wirken. Die Farben könnten geordneter abgestuft sein und der gelbe Filz mutet etwas deplatziert an. Die Vollholzauszüge sind eine handwerkliche Meisterleistung! Jonas Treugut zeigt ein ausgewogenes Verständnis in der formalen Gestaltung sowie ein feines Gespür für Materialien und ihren handwerklich meisterhaften Einsatz.

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Prof. Peter Litzelbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, lehrt Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Fachbereich Architektur und Design.

Leicht gesagt, schwer getan

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Ein leichtes Erscheinungsbild mit organischen Formen als Rundungen und Durchdringungen hat Michael Krüger bei der Konzeption seines Meisterstücks angestrebt. Eckhard Heyelmann analysiert die Konstruktion im Hinblick auf ihre Grundidee.

Der symmetrisch aufgebaute Schreibtisch in geöltem amerikanischem Nussbaum fällt auf durch die spannungsreich geführten Linien des Gestells. Die Frontansicht zeigt zwischen den formverleimten Holmen und der gewichtigen Platte zwei scheinbar schwebende Schubkastenelemente. In Wirklichkeit schaffen sie durch dünne eingerückte Zwischenlagen eine abgesetzte Verbindung zwischen der Platte und dem Gestell. Eine punktförmige Fixierung in etwas größerem Abstand könnte die Verbindung ablesbarer und optisch leichter erscheinen lassen. Mittig unter der Platte hängt ein niedriger Korpus mit Klappe. Die seitlichen Elemente mit ihren stumpf aufschlagenden Doppeln wirken dort aufgrund der Dimensionierung und Materialwahl schwer und massig. Sie könnten für zurückstehende Schubkästen flacher und vor allem als leichtere, formverleimte Hüllkörper konstruiert werden, die in hellerem Holz mit halbkreisförmigen Anleimern die geschweifte Kontur betonen.

Rückseitig zeigt der Schreibtisch eine identische Ansicht, die Doppel und die Klappe sind hier aber als Blenden ausgeführt. Die Tischplatte besteht in ihrer Mitte aus einer HPL beschichteten Einlage in rotem Farbton, die von einem breiten Vollholz-Umleimer auf Gehrung eingerahmt wird. Dadurch wird die Schreibfläche eingeengt. Eine haptisch angenehmere Oberfläche wäre durch eine Beschichtung mit einem natürlichen Material wie zum Beispiel Tischlinoleum gegeben. Ein für den Betrachter augenscheinlicher gestalterischer Bezug der gerahmten Platte zu Korpus und Gestell ist nur bedingt erkennbar.
Seinen statischen Auftrieb erhält das Möbel nicht nur durch die Rundungen der Gestellholme, sondern auch durch die leicht angestellten aufrechten Linien und stehenden Flächen. Das erkennbare Bemühen um organische Form und natürliche Optik führt im Ergebnis dennoch zu einer wuchtigen Gestalt: Neben der Materialwahl und der üppigen Dimensionierung ist der strukturelle Aufbau kontrastierender Formen noch nicht ganz überzeugend gelungen. Trotz dieser Einschränkungen folgt Michael Krüger im Entwurf seines Meisterstücks einer ausgesprochen originellen Gestaltungsidee.

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Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990 bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

Weil weniger mehr ist

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Zwei Meisterstücke aus der Meisterschule München zeigen beispielhaft die Ästhetik spannend kombinierter Werkstoffe in sinnvoll reduzierter Dimension.

Aus geseifter Esche, Corian und lackiertem Stahl hat Clemens Thalmeier einen charaktervollen, fein dimensionierten Schreibtisch komponiert. Die massive Platte ist im hinteren Bereich gespundet und mit Langlöchern an einem Rahmen aus Flachstahl befestigt. Dessen Lackierung entspricht im Farbton einer in die Schreibfläche eingesetzten Klappe und eines hängend geführten Schubkastens aus Corian. Die Klappe kann durch eine magnetische Einlage als Pinnwand genutzt werden. Sie ist über einen Seilzug mit einer Bremse unter der Tischplatte verbunden. Unter der Klappe befinden sich zwei herausnehmbare Stiftablagen aus Corian sowie aus Esche gearbeitete Kästen mit Fächereinteilung. Die Schublade nimmt Blätter im Format A3 auf. Bilden die Materialien bei diesem Möbelstück einen Dreiklang, finden sich mit Eiche, Linoleum, schwarzer MDF, Wollfilz und Stahl für den Kleiderschrank von Simon Zinner gleich fünf Materialien zusammen! Das geschlossene Volumen gliedert sich optisch in Stahlgestell, Koffertüre sowie den von einem offenen Fach unterbrochenen Stapel aus drei Schubkästen und einem Korpus mit Tür. Die abgestufte Front erhält durch feine Rahmen in Eiche einen durchgehenden Charakter. Die ausziehbare Stange ist ebenfalls als Rahmen konstruiert. Wird die lichte Höhe komplett für hängende Kleidungsstücke gebraucht, kann der untere, auf Schwedenträger aufgeschobene Fachboden entfernt werden. Die Türen sind mit geraden Bändern angeschlagen und über Magnete zugehalten. Die Schübe sind mechanisch mit Selbsteinzug geführt. Das Möbel steht auf einem geschweißten Stahlgestell mit Stellfüßen. –JN

Eine ehrliche Haut

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Der Trachtenkleiderschrank von Richard Haager kommuniziert seine Zweckbestimmungdezent über die klare Konstruktion und eine subtile Materialbearbeitung.

Das Meisterstück von Richard Haager ist eine wundervolle Interpretation der Tracht in ihrer Rolle, die sie traditionell für sich beansprucht: funktional und gradlinig, aber nicht fad; natürlich anmutend, ohne Bio-Kitsch zu sein; meisterlich verarbeitet und sinnlich materialisiert – Bravo! Der Sockel, der den Korpus hier geradezu präsentiert, will gar nicht zum eigentlichen Möbel gehören und überhöht dadurch die Arbeit des Schreiners: Die große sägeraue Fläche zelebriert die Feinheit sibirischer Lärche in ihrer Farbenvielfalt und gibt sich als Schwester im Geiste zum vegetabil gegerbten Ziegenleder, das bei der Fertigung edler Lederhosen Verwendung findet. Dass dieses Möbel viel Mühe und Ausdauer erfordert hat, erahnt man – dass man ihm dieses nicht ansieht, das beweist seine Klasse. Die Idee, den Korpus nicht in der Tiefe, sondern in der Länge zu entwickeln, ermöglicht es einem Kleiderschrank, selbst in kleinen Räumen eine gewisse Eleganz entfalten. Die Türen sind unterschiedlich ausgebildet. Der Notwendigkeit der Aussteifung der Koffertür hätte gestalterische Konsequenz gut getan – syntaktisch hätte man die Griffleiste des langen Schrankteils eher auf der Front der sägerauen Fläche erwartet, um damit auf die raumhaltige Ausbildung der Türe einzugehen. Aber möglicherweise war es dem jungen Meister wichtiger, dieses Bauteil auch als Anschlag zur Wand zu nutzen. Auch das wäre nachvollziehbar: Am Ende geht es um jeden Millimeter, will man die untere Schublade ohne Kollision mit der Türe ausziehen. In jedem Fall darf Richard Haager für sich den Genie-Paragraphen in Anspruch nehmen: Wer ein streng angelegtes Regelwerk beherrscht und in dessen Anwendung brilliert, vermag mit einem gezielten Bruch sogar eine weitere Qualitätssteigerung zu erzielen!


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Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion. dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

»Meistens zu wenig Platz«

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Am Beispiel dieses gediegenen Flurmöbels, das in einer Singlewohnung durchaus seinen Zweck erfüllt, erklärt Ursula Maier aus ihrer langjährigen Erfahrung als Innenarchitektin, welche Anforderungen an universell nutzbare Garderoben gestellt werden.

Der Platzbedarf für die alltägliche Garderobe wird meist unterschätzt: In Wohnungen und Häusern werden die nötigen Nischen vergessen und sei es nur für eine ausreichend lange Kleiderstange. Mäntel und Jacken aller Art sollten auf Bügeln Platz finden, um die Passform zu bewahren. Regenfeuchte Kleidung braucht ringsum Platz zum Lüften. Als Gestalterin plane ich genügend Platz für Schuhe ein, von denen manche nach jedem Tragen gelüftet werden wollen – die Luftzirkulation innerhalb eines Schuhschrankes ist zu bedenken. Handschuhe und unterschiedlich große Schals sollten in Griffhöhe übersichtlich gelegt oder gehängt werden können. Stapel sollten dabei nicht auseinanderfallen. Günstig ist eine Schublade für Schlüssel und Geldbeutel, eine Lademöglichkeit für das Handy ist heute Standard. Wohin mit Hand- und Stofftaschen? Alltagsgegenstände sollten sich grundsätzlich so verstauen lassen, dass die Wohnung immer aufgeräumt aussieht! Daher achte ich darauf, dass eine offene Garderobe vom Wohnraum nicht eingesehen werden kann. Wie verhält es sich nun mit der vorliegenden Garderobe? In den geschwungenen Mantel aus Eiche sind weiß lackierte Korpuselemente eingesetzt. Die orthogonal betonte Linienführung mit den sinnvollerweise beidseitig gekehlten Griffleisten verschwimmt leider wieder durch die ebenfalls weiß abgesetzten Corianleisten und das Sitzkissen über der abgerundeten Schublade. Die feste Einteilung ist dazu bestimmt, Taschenlampe, Schirm, Hundeleine und Schuhlöffel aufzunehmen. Doch was, wenn sich Bedürfnisse ändern? Gut gelöst ist die Belüftung der Schuhlade über versteckte Fräsungen. Die originellen Ausklapphaken sind für das Überwerfen von Jacken geeignet, jedoch nicht für Kleiderbügel. Ich sehe das Stück als Single- oder Besuchergarderobe!


Ursula Maier, Stuttgart, Maître Ébéniste und Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und 2007 an die vierte Generation übergeben.

Auf die Spitze getrieben

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Mit dem Meisterstück die Grenzen von Statik und Formgebung auszuloten, ist ein Wagnis.Drei Beispiele aus der Meisterschule Berlin, die beim internen Gestalterpreis 2015 überzeugten.

Messerscharfe Gehrungen in massivem Ahorn zeichnen diesen eigenwilligen Schreibtisch aus. Martin Zollfrank zeigt mit seinem Meisterstück, dass er hochpräzise arbeiten kann. Das Möbelstück ist aber mehr als eine Leistungsschau. Es folgt der Idee, Volumen in ein dynamisches Gleichgewicht zu stellen und zeigt dafür gestalterisch wie konstruktiv spannende Lösungen.

Ablesbare Komponenten sind die abgeschrägte Platte, sich verjüngende Beine, parallele Streben und akkurat auf Gehrung schließende Schubkastengehäuse. Diese Bauteile treffen präzise aufeinander und sind unkonventionell miteinander verbunden: Die Tischbeine sind an der Platte mit Fixissimo-Verbindern von Meyer befestigt, die durch eine seitliche 6-mm-Bohrung fixiert werden. Verstrebungen zwischen Platte und Schubkastenkorpus greifen oben mit Exzenterverbindern in Gehrungssystembolzen und sind unten gedübelt. Die Schubkastengehäuse stützen sich wiederum auf Streben, die unten einen angeschnittenen Zapfen haben und oben gedübelt sind. So gliedert sich der Schreibtisch in drei Baugruppen: die Platte und jeweils Schubkastengehäuse plus Beine und Streben. Letztere sind parallel gehobelt, wären aber konsequenter wie die Beine konisch ausgeführt worden. Massives Eschenholz, signalrot lackierten Rundstahl und weiß durchgefärbte HPL-Vollkernplatte verbindet Max Hirn zu einem Schreibtisch, der aus dem legendären Stabilbaukasten kommen könnte – abends mit Beleuchtung: Wie ein Exponent am Stecken schwebt der Lampenschirm aus Polypropylen wahlweise rechts oder links über der Arbeitsfläche. Der Ausleger ist mit einem magnetischen Bolzen drehbar in einer Bohrung geführt und an deren Grund über eine Magnetscheibe gesichert. Die Tücken der Konstruktion zeigen sich unter dem Tisch: Freie Zargen tragen Kulissenauszüge und sind mit der 15 mm dünnen Vollkernplatte verklebt. Eine flankierend geklebte und geschraubte Leiste muss die Platte offenbar zusätzlich quer stabilisieren – längs stützen sie Diagonalen aus Rundstahl gegen Durchbiegen. Ein Prototyp mit Potenzial und experimentellem Charme.
Leicht und dynamisch wie ein Wikingerschiff steht das Bett von Hans Meurer auf konisch gefrästen und ausgestellten Beinen. Das 1800 x 2000 mm große Skelett aus massiver Esche lässt sich zu zweit mühelos auf Fingerspitzen balancieren. Ziel war es, alle Materialstärken maximal zu reduzieren. Stabilität erhält das Bett durch nach innen verstärkte und in der Länge als Bogenform ausgeführte Querschnitte. Ob dennoch die Grenzen der Statik überschritten wurden, wird erst die dauerhafte Nutzung zeigen. Die unter Dampfeinwirkung gebogenen Rundstäbe des Kopfteils federn angenehm beim Anlehnen, bringen dabei aber auch ein zusätzliches Drehmoment auf die zerlegbare Konstruktion. Zum Meisterprüfungsprojekt gehört der Vollständigkeit halber noch ein wandhängender Nachttisch mit einer auf Kulissen geführten Schublade, hier ohne Abbildung. –JN

Gestalterpreis

Der Förderverein für Aus- und Weiterbildung im Tischlerhandwerk lobt seit 20 Jahren unter den Berliner Meisterabsolventen einen Gestalterpreis für herausragende Meisterstücke aus.

Einzelstück mit System

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Niklas Stöffgen hat einen Raumteiler als Systemmöbel entwickelt: Typisierte modulare Korpuselemente sind in einer erweiterbaren Konstruktion konfiguriert. Handelt es sich dabei um den Prototyp eines Systemmöbels oder doch eher um ein Einzelstück?

Die Form aus der Funktion zu entwickeln ist ein Gestaltungsprinzip, das ursprünglich geprägt wurde von dem amerikanischen Architekten Louis Sullivan, aufgegriffen und weitergeführt vom Bauhaus und der HFG Ulm. Diesem Gedanken folgend ordnet, gliedert und typisiert Niklas Stöffgen Korpusmodule zu einem erweiterbaren System. Das vom Quadrat ausgehende Grundmodul ist der offene Korpuswürfel, erweitert mit Türen und Schubkästen oder reduziert auf eine quadratische Rückwand, die wiederum mit einem auskragenden Fachboden erweitert werden kann.

Dieses gedanklich vorgegebene, modulare Spiel mit den Elementen erhält durch die Materialien Esche und Linoleum wie auch durch die Farbgestaltung einen besonderen Reiz. Die einzelnen Elemente lassen sich vielfältig zusammensetzen und in ein übergeordnetes Rahmen-Tragsystem einhängen. Auch hier wird der Modulgedanke aufrechterhalten, bestehend aus dem Seitenrahmen und dem Rückwandrahmen, der das Einhängen der Module von zwei Seiten ermöglicht. Dieses Traggerüst wird aus kräftigen Rahmenhölzern gebildet und gleicht bildlich einem Holzfachwerk. Die orthogonale Strenge des seitlichen Rahmenwerks wird durch unterschiedlich angesetzte Diagonalen aufgelockert. Die Ausführung des Systemmöbels als Raumteiler wird durch die kräftige Profilierung der Materialien als schwer und wuchtig empfunden – es verleitet nicht unbedingt dazu, die unterschiedlichen Module umzusetzen und wirkt eher als Einzelstück. Eine subtilere Ausformulierung in der Materialstärke wie auch in den Profilen könnte dem Meisterstück von Niklas Stöffgen Eleganz und Ausstrahlung eines Systemmöbels geben. In die richtige Richtung zeigt bereits die Verjüngung der auskragenden Fachböden, die sogar noch feiner sein könnte. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit modularen Systemen im Möbelbau könnte hier über einen weiteren Prototyp den Weg zum Systemmöbel weisen und letztlich auch zum Serienprodukt öffnen.

Prof. Peter Litzelbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, lehrt Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Fachbereich Architektur und Design.
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