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Channel: Die besten Meisterstücke von Tischlern und Schreinern
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Hängende Skulptur

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Jonathan Schreiber stellt kraftvolle, körperhafte Elemente in eine feine Rahmenstruktur. Das Meisterstück vereint spielerisch zwei konträre Gestaltungsansätze.

Die Idee für dieses Meisterstück zeichnet sich aus durch den Versuch, geschlossene Korpuselemente in offene räumliche Strukturen einzufügen. Damit rückt die Konzeption in die Nähe eines Kunstobjekts, ohne die Anforderungen an ein Möbelstück zu negieren. Massive Nussbaumstäbe von 21 x 21 mm bilden die Struktur. Die Verbindungen sind kunstvoll mit Schlitz und Zapfen gefertigt, die sich nach dem Kartesischen Koordinatensystem ausgerichtet mit extrem hoher Festigkeit verzahnen. Eine in Vergessenheit geratene Holzverbindung, die es handwerklich-konstruktiv in sich hat sowie dazu eine besondere ikonografische Wirkung zeigt: An jedem Knotenpunkt werden durch die kreuzförmigen Schnitte vier quadratische Punkte in Hirnholz sichtbar, die das Erscheinungsbild des Möbelobjektes in der Vorderansicht deutlich prägen. In der Seitenansicht tritt an den Knotenpunkten eine dreigeteilte horizontale Linienführung hervor. Durch den konstruktiv bedingten Wechsel von Hirn- und Längsholz entsteht ein Helldunkelkontrast, der die Holzverbindung hervorhebt. In das durchgearbeitete Gestell fügt Jonathan Schreiber unterschiedlich große, scharfkantig auf Gehrung ausgebildete Volumen aus Valchromat in zwei Blauabstufungen ein: Die große, aufrecht stehende Box wirkt als ruhender Pool, an dem die lineare Struktur gleichsam angedockt ist. Die kleineren Volumen sind bündig von ihr eingerahmt und die mittelgroße Box übernimmt innerhalb dieser Skulptur die tragende Rolle.

Innen sind die Behältnisse mit Schubkästen und Blechtablaren ausgestattet. Letztere lassen sich auch frei in das Tragwerk einsetzen. Die Gehrungsbänder der Türen fallen optisch störend aus dem Rahmen.

Kraftvoll körperhafte Elemente wurden gestalterisch sehr geschickt mit der dazu gegensätzlichen, feinen Rahmenstruktur verbunden. Noch spannender hätte wirken können, das große Korpuselement nach oben zu verschieben und die tragende Struktur darunter vorbeizuführen. Ein ambitioniertes Meisterstück!

Vertikalschnitt: Schubkastenkorpus mit hohem Doppel und abschließbarer Lade dahinter
Frontalschnitt: Die Kulissenführung ist in die Korpuswange sowie Schubkastenseite zur Hälfte eingesetzt
Form- und kraftschlüssige Verbindung der Stollen

Prof. Peter Litzelbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, hat bis Sommer 2017 Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart gelehrt.

Der Beitrag Hängende Skulptur erschien zuerst auf dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau.


Edel und eigenwillig

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Inspiriert von der Tradition japanischer Raumgestaltung hat Charlie Periane Y Rodriguez einen Wäscheschrank mit Leinenbespannung entworfen. Unsere Kritikerin Ursula Maier zeigt sich trotz ungelöster Probleme vom Charme der feinen Arbeit bezaubert.

Mit filigranen Rahmen der Türen, Seiten und Schubladen, gezackten Trägerleisten mit massiven Fachböden und den eingelassenen Beschlägen folgt das wandhängende Möbelstück aus Lärche unserer handwerklichen Tradition. Zauberhaft wirkt es, wenn Licht bei geöffneten Türen durch den Stoff fällt und damit das innen liegende Muster offenbart! Eher als als eine Verbindung zur japanischen Tradition sehe ich darin ein heiter verspieltes, spanisch-islamisches Motiv. In den 1960er-Jahren hat mein Vater auf einer Wirtschaftsreise nach Japan einen Schreiner in seine Werkstatt eingeladen, der auf Schiebetürornamente spezialisiert war und die feinen Rahmenwerke dann auch in Deutschland herstellte: Schiebetüren hatten einen Schmuckfries aus feinsten Fichteleisten, meist überplattet in streng mathematischer Anordnung und seitlich in Rahmen genutet. Die Rahmen wurden mit Japanpapieren bespannt: Unter Dampf gedehnt und mit Weißleim auf den Leisten verklebt, spannten sie sich nach dem Trocken ohne Falten! Ich habe etliche Möbel dieser Art kreiert. Leinenstoffe dagegen sind edel, aber eigenwillig! Es ist fast nicht möglich, diese Faser so zu spannen, dass sich keine Blasen bilden, zumal bei schwankender Luftfeuchtigkeit. Es ist mir klar, wie viel Überlegungen dieses Novum hatte: Die gefrästen FU-Ornamente sollten an den Fräskanten nicht sichtbar sein, daher die beidseitige Bespannung. Der Stoff kann auch nicht auf das Ornament geleimt werden, sonst sieht man den Leimdurchschlag. Ein spannender Ansatz für den Leichtbau von Möbeln, der Parallelen in der modernen Architektur hat, etwa bei den Bauten von Werner Sobek, die vielfach mit Stoff bezogen sind. Es begeistert mich, wie das Möbel in der Ausstellung neben dem bodentiefen Fenster platziert ist – das nenne ich gute Architektur!


Ursula Maier, Stuttgart, Maître Ébéniste und Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und 2007 an die vierte Generation übergeben.

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Trennen und verbinden

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Zwei Gestaltungsansätze, die dem gleichen Ziel dienen, sind im Meisterstück von Sebastian Faas ablesbar: Durch die betonte Trennung der Bauteile sowie die Auflösung der orthogonalen Strenge im Gestell wird eine attraktive Leichtigkeit hervorgerufen.

Im ersten Ansatz zerlegt Sebastian Faas seinen Schreibtisch in vier Elemente, um sie darauf additiv wieder zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Als das kräftigste Element tritt die Arbeitsfläche hervor, die als 120 mm hoher Schubkastenkorpus ausgebildet ist, hervorgehoben durch beidseitige Beschichtung mit anthrazitfarbenem Linoleum und nur unterbrochen durch eine helle Eschenholzkante. Der Aufsatz mit kleinem Utensilienschubkasten und Kammstruktur für die Aufbewahrung von Briefen bildet das zweite Element: Es berührt die Fläche nur punktuell und greift mit Abstand über die Kante der Arbeitsfläche. Das dritte Element legt sich als mit Filz bespannte Pinnwand wie eine schützende Hand über Eck um den Schreibtisch und scheint vom Möbel losgelöst.

Ein zweiter gestalterischer Ansatz zeigt sich im vierten Element, dem Fußgestell: Nach dem Vorbild des Stuhls ohne Hinterbeine von Mart Stam versucht Sebastian Faas die orthogonale Strenge des Möbels aufzulockern, indem er die tradierte Anordnung der Füße mit einer umlaufend linearen, stark horizontal geführten Anordnung 40 mm starker Vierkanthölzer umgeht. Damit entfallen hinten die außen liegenden Füße, in einem weiteren Schritt werden die vorderen um 70° abgeknickt. So wird die statische Normalität aufgehoben und an neuralgischen Punkten durch mit Linoleum beschichteten Scheiben und eine versteckte Metallplatte an der Unterseite des Korpus ersetzt.
Mit diesem vermeintlich interessanten Knick wird der Schreibtisch seinem hohen formalen Anspruch nicht gerecht: Durch die seitlich fehlenden Ecken ragt der Schubkastenkorpus ins Leere, das Möbel verliert an Eleganz, was besonders durch die angeschnittenen dunklen Flächen deutlich wird, die eine räumlich unvollendete Wirkung hervorrufen. Die dem Möbel innewohnende spielerische Anmut gründet sich auf die gekonnt aufeinander abgestimmten Elemente in ihrer perfekten handwerklichen Ausführung und der überzeugenden Materialwahl.

Prof. Peter Litzlbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, lehrt Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Fachbereich Architektur und Design.

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»So wenig Design wie möglich«

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Meisterstücke in der Kritik: In seiner klaren Linienführung erinnert das wandhängende Sideboard von Martin Hütt an Industriedesign von Dieter Rams. Das Innenleben des Möbelstücks ist wohl durchdacht, wenn es mit der formvollendeten Hülle auch nicht ganz Schritt halten kann.

Der lang gezogene schlichte Quader mit den abgerundeten Ecken, seinen schmal ausgebildeten Fugen, dem nahtlos quer umlaufenden Furnier und den einfarbigen, grifflosen Fronten überzeugt durch die auf das Wesentliche reduzierte Formensprache. Diese drückt sich auch in der Beschränkung auf nur zwei sichtbare Materialien aus: Eiche-Messerfurnier und das schwarze Zellulosefasergewirk »Snap-Pap« grenzen Flächen und Konturen markant voneinander ab und mindern spielerisch die kompakte Wirkung des Sideboards mit drei im 90°-Winkel öffnenden Klappen. In der Hülle befindet sich ein Innenkorpus mit zwei Schubladen, einem Tablarauszug mit drei herausnehmbaren Boxen und zwei Fachböden. Diese Einteilung erfüllt einen hohen Gebrauchswert durch unterschiedliche und flexible Ablage- und Ordnungsmöglichkeiten.

Die durch Materialwechsel abgesetzte Aufkantung des Tablarauszugs zeigt besonders in der frontalen Ansicht eine weniger subtile Handschrift als die feine Außenform – hätten die herausnehmbaren Boxen dezenter fixiert werden sollen? Auch Klappenhalter mit selbsteinziehendem Seilzug sind revisionierbar hinter Blenden verborgen, die mit 25 mm sehr breit sind und dazu von 17 mm starken Zwischenwänden eingefasst werden. Im Sinne einer Black Box ist das grundsätzlich eine gute Lösung – die hat hier jedoch zur Folge, dass der Innenraum nicht der gerundeten Kontur des Außenkorpus folgt, sondern sie begradigt, was die Linienführung des Entwurfs beeinträchtigt. Die beachtliche Dicke der Sandwichaufbauten hätte man durch Einlassen der Klappenhalter verringern können. Unberührt davon zeigt das Möbel eine sehr anspruchsvolle gestalterische und handwerkliche Qualität. Auch die Güte der Fertigungszeichnungen lässt keine Wünsche offen. Martin Hütt folgt mit der Formgebung seines Stücks einer der zehn »Thesen für gutes Design« von Dieter Rams: »Gutes Design ist so wenig Design wie möglich«. Das gilt insbesondere auch für Meisterstücke.

Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990 bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

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Entwicklung eines Prototyps

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Aus Magnetschichtstoff gefertigte Kanten und flexible Fachböden mit eingelassenen Magneten definieren an beliebiger Stelle Flächen in einer filigranen zerlegbaren Struktur: Sarah Kamender stellt bei ihrem Meisterstück Standardprodukte in einen neuen Kontext.

Kantenbänder aus einer Magnethaftplatte von Homapal, 450 Neodym-Magnete und 80 induktionsgesteuerte Invis-Verbinder von Lamello sind neben dem massiven Eschenholz die technische Grundlage dieses ingenieurmäßig anmutenden Meisterstücks. Mit nur wenigen Handgriffen erlaubt es das Möbel, eine einst gewählte Ordnung der Dinge auf den Kopf zu stellen: Durch die flexiblen magnetisch haftenden Fachböden können Flächen an fast beliebiger Stelle entstehen. Angeschrägte Leisten mit einer Mittellage aus Heftgaze und kleinen, unsichtbar eingelassenen Neodym-Magneten bilden die beidseitig aufrollbaren Fachböden, die an Kantenbändern aus HPL mit deren Mittellage aus einer weichen Stahllegierung haften. Diese geben auch den mit Domino-Verbindern aus Esche-Segmenten verleimten Rahmen zusätzlichen Zusammenhalt. Die in Länge und Breite erweiterbare zerlegbare Struktur setzt sich aus fünf verschiedenen Teilen zusammen, die jeweils durch Invis-Verbinder verbunden sind: Ein Induktionsfeld versetzt hierbei eine Gewindeachse so in Rotation, dass sie präzise in ein Gegenstück mit Gewindemuffe greift. So lassen sich formschlüssig gestoßene Segmente unsichtbar kraftschlüssig verbinden und wieder lösen, ohne dass die Verbindung einem Verschleiß unterliegt.

Die filigrane Regalstruktur kann auf klemmbaren Stahlfüßen horizontal im Raum ausgerichtet werden. Sarah Kamender hat bereits für ihr Gesellenstück mit einer flexiblen Fläche aus Leisten gearbeitet. Anders als beim Meisterstück waren sie jedoch einseitig mit einer Lederhaut verbunden. Die Platte passte sich durch ihr Gewicht an die Kontur des Untergestells an. Für das Meisterstück lag allein in der Fertigung des Kantenbandes aus einer Magnetschichtstoffplatte die ungleich höhere Herausforderung: An der Kreissäge, wegen des Funkenflugs ohne Absaugung geschnitten, zeigte das hartmetallbestückte Sägeblatt wegen der in das Laminat eingebetteten Eisenfolie einen deutlich erhöhten Verschleiß. Die bekanteten Werkstücke zu kalibrieren war nicht möglich, weil das Schleifband Schaden nahm. Also galt es, die Kanten auf Fertigmaß zu sägen und von Hand mit Weißleim und Zwingen exakt zu positionieren. Besonders an den abgesetzten Konterprofilen der Verbindungen wird anschaulich, in welcher Güte das gelungen ist. –JN

Steckbrief

Für die Entwicklung ihres Meisterstücks »Bubbles« ist Sarah Kamender von der Jury des Gestalterpreises im Tischlerhandwerk an der Meisterschule Berlin 2016 mit einem Sonderpreis ausgezeichnet worden.
Magnetschichtstoff von Homapal sowie Invis-Verbinder von Lamello wurden innovativ und entwurfsprägend eingesetzt.

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Kunstwerk und Möbelstück

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Wer bei einer Komposition aus Kabinettschrank und Sekretär womöglich an ein klassisches Funktionsmöbel denkt, liegt bei diesem Meisterstück falsch: Der sogenannte Kabitär von Michael Gläßer ist ein Objekt, wie es sonst eher Künstler hervorbringen.

Kabitär nennt Michael Gläßer seine Komposition aus Kabinettschrank und Sekretär. Ein klassisches Funktionsmöbel ist diese Schöpfung dennoch nicht! Michael Gläßer hat etwas anderes zur Meisterschaft gebracht, was möglicherweise noch viel schwieriger ist – er hat eine Figur geschaffen, wie sie sonst eher Künstler hervorbringen: Oskar Schlemmer mit dem Triadischen Ballett oder Giorgio De Chirico, ganz selten auch Designer, wie etwa Ettore Sottsass mit seinen beiden Werken Totem oder Carlton. Möbel, die etwas über diejenigen zum Ausdruck bringen, die sich für sie entschieden haben und deren Zweck vor allem darin besteht, eine Art Begleiter durch den Alltag in den eigenen vier Wänden zu sein.

Eine Figur (figura, lateinisch Gebilde oder Gestalt) reklamiert, ein Wesen zu haben und manchmal sogar Eigenarten. So bündeln etwa Schachfiguren diverse Möglichkeiten strategischer Potenziale. Ein anderes Beispiel findet man unter Modeschöpfern, die ihre Kollektionen entwerfen, indem sie Figuren definieren, die sie in ihren Zeichnungen zuspitzen und damit den Schneidern die Richtung weisen.
Handwerklich ist der Kabitär eine Arbeitsprobe, über die sich dezent, aber doch unübersehbar die Finessen mitteilen, zu denen sein Schöpfer imstande ist. Dass an diesem Möbel jemals irgendjemand einen Brief oder eine Postkarte schreiben wird, das glaube ich eher nicht – Ergonomie und Praktikabilität standen ganz offensichtlich nicht im Vordergrund, was bei einer Figur im beschriebenen Sinne auch nicht nötig ist. Öffnet man die Klappe und schaut in das Innere, offenbart sich eine weitere emotionale Steigerung: Rippen und Muskulatur des Objekts sind mit so viel Gefühl, dabei ohne jeden Kitsch, mit kongenialen Farben und Hölzern modelliert – unvorstellbar, dass dies den Betrachter nicht berührt. Der Kabitär ist ein Möbelstück, dem große Präsenz attestiert werden darf, und das, ohne dick aufzutragen. Eine Ehr’, der Kabitär!

Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion. dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

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Treffpunkt im Raum

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Das Meisterstück vom Tischler Daniel Burfeind soll als Kommunikationsmöbel frei im Raum stehen. Ursula Maier schätzt daran, neben dem zeitgemäßen und spannend umgesetzten Konzept, auch die meisterlich ergriffene handwerkliche Herausforderung.

Kommunikation bestimmt heute unsere private und berufliche Lebensführung: Ob geselliges Kochen oder Arbeitsbesprechung – multifunktionale Möbel mitten im Raum sind angesagt, zumal Wandflächen als die traditionellen Stellorte für Möbel in Relation zu großzügig dimensionierten Fensterfronten rückläufig sind. Mit seiner Größe sollte dieses Stück sorgfältig platziert werden – auch, um andere Möbel nicht zu erdrücken. Wegen des Volumens und des Transports kann es zerlegt werden. Rollen hinter dem Sockel könnten den schweren Korpus mobil halten!

Auf den ersten Blick ist das Material des Monoliths nicht erkennbar, es könnte auch ein Granitblock sein! Dann entdeckt man die Holzadern und fühlt die feine Haptik des Linoleums. Das Auge sieht einen Würfel, obwohl der Kubus 5 cm höher als seine Seitenlänge von 100 cm ausfällt. Er steht auf einem 10 cm hohen, nach hinten abgeschrägtem Sockel. Die Kanten sind auf Gehrung gearbeitet. Das obere Quadrat ist durch ein diagonal verlaufendes Kreuz aufgeteilt, das sich auf den vier Seiten jeweils in einer 70°-Linie fortsetzt. Die polygonalen Flächen begegnen sich geschickt stumpf aufschlagend mit spiegelbildlich gefrästen Griffleistenprofilen. In der markanten Holzmaserung des Zebranos fällt die eingeplante Luft für Toleranzen kaum auf! Das durchlaufende Fugenbild wird zum Gradmesser dafür, wie souverän das Gehrungsthema mit Türen und Schubladen gemeistert wurde.
Die mittlere Trennwand ist einseitig versetzt: die Tiefe der festen Fachböden beträgt 380 mm, die der Schubladen dagegen 554 mm. Sie haben aufgrund der schrägen Mittelseite eine reizvoll trapezförmig gezinkte Seite. Hinter der schräg verlaufenden Front der oberen Schublade verbirgt sich ein Absatz im Schubladenboden für mehr Rauminhalt. Reizvoll ist auch die diagonal ausziehbare Getränkeschublade, hier ist die Schubladenführung diagonal zwischen Korpusboden und Schubladenboden angebracht. Ein spannendes und gelungenes Meisterstück!

Ursula Maier, Stuttgart, Maître Ébéniste und Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und 2007 an die vierte Generation übergeben.

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Minimalismus als Vorbild

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Drei klassische Arbeitsanforderungen an einen Schreibtisch wurden bei diesem Meisterstück minimalistisch umgesetzt: eine große Arbeitsfläche, Schubkästen für unterschiedliche Papierformate und ein Einsatz für Schreib- und Zeichenutensilien.

Wer nach Vorbildern für minimalistische Grundansätze der Gestaltung im Möbelbau sucht, kann bei Donald Judd, einem amerikanischen Architekten, Designer und Maler, fündig werden: Seine Arbeiten reduzieren sich auf geometrische Grundformen, die ein hohes Maß an Präzision in der Gestaltung und im Detail aufweisen. Daran erinnert mich das Meisterstück von Sebastian Sanktjohanser in seinem klar konturierten Aufbau. Drei klassische Anforderungen stehen hier im Vordergrund: große Arbeitsfläche, Schubkästen für unterschiedliche Papierformate, Einsatzkassette für Schreib- und Zeichenutensilien. Anforderungen zeitgemäßer Technik bleiben hingegen ganz bewusst unberücksichtigt. Der repräsentative Charakter steht bei diesem Möbelstück im Vordergrund und wird durch Materialwahl und Konstruktion betont.

Platte und Seiten schützen als umgedrehte Schale die Auskleidung. Sie wird mit einem 45°-Winkel an allen Kanten schräg nach innen geformt und wirkt ähnlich eines angehefteten Futterstoffes. Geschickt findet hier helles Eichenholz für die Umhüllung im Gegensatz zum grau lackierten Futter seinen Einsatz. Eine umlaufende Schattenfuge arbeitet dieses Futter elegant heraus. Durch den Nextel-Lack entsteht die Anmut von haptischer Stofflichkeit. Die technischen Zeichnungen lassen das konstruktive Innenleben des Futters erkennen: Eine Gitterstruktur aus Eiche mit eingebetteten T-Profilen aus Aluminium übernimmt die Statik. Ecken mit Schlitz und Zapfen erhöhen die Winkelsteifigkeit. Die Idee, das Futter nach unten zu verjüngen, vermittelt dem Schreibtisch zusätzliche Leichtigkeit. Äußerst subtil sind die drei Schubkästen mit feinen Fugenmaßen integriert.
Insgesamt ist es Sebastian Sanktjohanser wunderbar gelungen, einen Schreibtisch zu entwickeln, der den selbst gesetzten Anforderungen vollkommen gerecht wird. Idee, Form, Konstruktion und Material sind auf das Feinste aufeinander abgestimmt und zeigen in der Ausführung eine meisterliche Hand im Möbelbau.

Prof. Peter Litzlbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, lehrt Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Fachbereich Architektur und Design.

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Auftrag mit Hindernissen

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Manchmal führt die Vielzahl gestalterischer Vorgaben zu Kompromissen bei der formalen Stringenz eines Möbelstücks. Eckhard Heyelmann hat sich auf Spurensuche begeben.

Christopher Platz hat sein Meisterstück im Rahmen eines Auftrags konzipiert und gebaut. Dabei waren für ihn die Vorstellungen seines Auftraggebers bindend, wonach das Sideboard in der Formensprache an skandinavisches Design der 50er- und 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts erinnern soll. Gegenwartsbezug sollte durch Oberflächenbehandlung, Materialwahl und konstruktive Details erreicht werden. Ergebnis ist ein liegender, auf Gehrung verleimter, einfarbig grau lackierter Quader in MDF. Darin sind verschiedene Öffnungen eingeschnitten und über Eck ausgespart, in die Volumen aus Eiche spannungsreich eingesetzt sind. Diese Vollholzelemente sollen die Lackflächen durchdringen, um die streng kubische Wirkung des Monoliths etwas aufzulockern. Das Sideboard soll als Medienmöbel genutzt werden und auch frei im Raum aufgestellt werden können. Als sinnvoller Stauraum und Ablage für Bild- und Tonträger sowie Zubehör dienen drei Schubkästen, ein größeres geschlossenes Fach, ein über Eck verlaufendes CD-Regal und im Schubkasten ein abschließbares Fach mit Klappe.

Der voluminöse Körper liegt auf einem gedrungen bockigen Zargengestell mit ausgestellten Füßen, das in der Geometrie an das Gestell eines vorhandenen dänischen Sofas angelehnt ist. Es nimmt mit Eiche eines der beiden Materialien des Korpus auf, setzt aber eine eigenständige formale Aussage dagegen – für den Korpus mit durch Auslassungen zusätzlich betonten Körperkanten wären schlichte Metallfüße vorteilhafter. Schubkastendoppel und Tür sind an den vertikalen Innenkanten gerundet und nur mit leicht gebrochener Kante in das Volumen bündig eingefügt. Als Grifflösung ist von hinten in Handbreite eine Hohlkehle gefräst. Als Gegenstück und zur Erweiterung des Eingriffs sind in den Korpus freiformartige Aussparungen eingearbeitet. Sie durchbrechen das durch eine kleine Fase fast zu feine Fugenbild und akzentuieren stark die Griffbereiche.
Der Wechsel von Eiche auf Nussbaum in den Schubkästen scheint gestalterisch kaum begründbar. Auch erschließt sich nicht, weshalb die Einschübe lösbar und mit auffälligen Edelstahlverbindern fixiert sind, da eine eventuelle Änderung der Nutzung oder Farbgestaltung nicht angedacht ist. Problematisch ist zudem die fixe Verbindung von Werkstoffen trotz des unterschiedlichen Schwundverhaltens. Das Stück ist handwerklich gelungen und zeigt einen interessanten Gestaltungsansatz, der durch formale Vorgaben nicht durchgängig umgesetzt werden konnte.

Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990 bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

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Turnen leider verboten

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Zitate im Möbelbau sind angesagt: Felix Böhmert hat eine Garderobe mit optischen Anleihen an klassische Turngeräte gestaltet. Die einstigen Funktionen von Kasten und Sprossenwand beizubehalten, wäre dabei durchaus eine Option gewesen.

Die Kunst des Zitierens hat in den 1980ern eine ganze Stilepoche geprägt: In der Postmoderne wurde formal Altbekanntes neu interpretiert. Oftmals mit ironischen Gegenständen – einem geschäumten Hocker mit grünen Stacheln zum Beispiel, der dann als Riesen-Rasen »Pratone« daherkam oder einem Sessel in Form eines Einkaufswagens mit zur Seite geklappten Gitterwänden.

Möglicherweise ist dieses Meisterstück ja davon inspiriert – glaubt man den Buschtrommeln, so sind die 1980er-Jahre des letzten Jahrhunderts wieder im Kommen. Jedoch argumentiert Felix Böhmert in der Beschreibung des Möbels derart bierernst, dass man in Zweifel gerät und sich fragt, warum denn dieses schöne, gut riechende vegetabil gegerbte Leder auf der Kommode nur gepolstert aussieht wie bei einem Turngerät, tatsächlich aber hart ist? Es könnte doch mit Augenzwinkern dazu animieren, sich bisweilen darauf zu schwingen, wie einst im Turnunterricht, wenn der Lehrer gerade mal nicht herschaute. Wäre das nicht verlockender als eine ebene Abstellfläche? Und wäre es nicht schön, die zu einer Garderobe ertüchtigte Sprossenwand könnte darüber hinaus noch als solche fungieren, damit der vom Rasten ein wenig gerostete Mitmensch sich gelegentlich daran ein paar Minuten abhängen kann, um dem Körper Regeneration zu verschaffen?
Aber diese Fragen gehen vielleicht doch zu weit – denn der frischgebackene Meister hat eine beherzte formale Entscheidung getroffen, die zu akzeptieren ist. Der Spiegel allerdings, den Felix Böhmert seinem Ensemble als »Raumvergrößerer« hinzukomponiert, ist eher suboptimal: Als solcher würde er nämlich nur dann überzeugend funktionieren, wenn er eine der Raumkanten unmittelbar verlängert. Dazu müsste er entweder größer oder einfach anders angebracht sein. Dennoch dient er seinem Nutzer, um vor dem Verlassen des Hauses die Frisur oder das Make-up zu kontrollieren – was auch nicht zu unterschätzen ist!

Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion. dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

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Zeichenhafter Blickfang

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Ein den Korpus scheinbar schneidendes Stahlgestell, der flächige Farb- und Materialkontrast sowie eine unkonventionelle Erschließung des Stauraums verleihen dem asymmetrisch aufgebauten Geschirrschrank von Florian Pechtl seine einprägsame Gestalt.

Ein geschwärztes Flachstahlgestell teilt den außen in Tanne furnierten, innen mit türkisfarbenem Linoleum beschichteten Korpus in zwei einseitig um 70° abgeschrägte, konstruktiv eigenständige Quader. Diese Teilung bedingt die unkonventionelle, vielfältig nutzbare Aufteilung des Stauraums: Frontale Fächer und Schubkästen haben die volle Korpustiefe von 358 mm. Sie nehmen links des Gestells in der Breite von oben nach unten ab, rechts davon bilden sie ein schmales Parallelogramm. Die stirnseitigen Fächer rechts zeigen eine von oben nach unten zunehmende Tiefe bei gleichbleibender Breite. Die türkise, flächige Linoleumauskleidung des Innenraumes ist nicht nur zweckdienlich für die Aufbewahrung verschiedener Geschirrteile, sie ist auch im Kontrast zur schlichten, weißlich-hellen Oberfläche der Tanne gut gewählt.

Unkonventionell ist der Stauraum über Drehtüren und eine Schiebetüre erschlossen. Das Platzangebot hinter der letztgenannten sowie in den unterflur auf Holzkulissen geführten Schubkästen ist aufgrund der Dimensionierung reduziert und nur eingeschränkt nutzbar. Die linke Drehtür hat oben, der Schräge des Gestells folgend, eine beachtliche Ausladung! Beide Fronten sind allseits leicht überstehend abgefast als Griffe nutzbar. Ihr Furnierverlauf orientiert sich an der jeweiligen Richtung des Anschlags vertikal oder horizontal und gibt mit diesem Gestaltungsmerkmal einen subtilen, benutzerfreundlichen Hinweis auf den Öffnungsweg. Der Wechsel der Furnierrichtung wird aber ebenso bestimmt durch die Gestaltung der Verbindung von Korpus und Stahlgestell: Die rechte Hälfte des Korpus sattelt auf dem gekröpften Gestell auf, während die linke Hälfte eigentlich an dessen schiefer Ebene abrutschen müsste – wäre sie dort nicht lösbar über verdeckt montierte Bettbeschläge und Schrauben in Rampa-Muffen eingehängt.

Florian Pechtl stellt ein spannungsreiches Möbel in unprätentiöser Zeichenhaftigkeit vor, die kleinere funktionale Kompromisse rechtfertigen kann.

Frontalschnitt: Das Gestell verbindet zwei eigenständige Korpushälften
Frontalschnitt: Schmale, unterflur auf Holzkulissen geführte Schubkästen hinter der Schiebetür
Vertikalschnitt: Schiebetürführung mit Accuride Teleskopschienen

Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990
bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

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Modern, nicht modisch

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Tobias Schauhoff, dds-Preisträger 2017, leiht sich einen 70 Jahre alten Schreibtisch und analysiert ihn gründlich, um ihn als Meisterstück neu zu interpretieren. Ein gelungener, zukunftsfähiger Relaunch, findet Prof. Axel Müller-Schöll.

die Art der Korrespondenz und die dafür verwendeten Medien haben sich während der sieben Jahrzehnte, die zwischen dem Vorbild und seinem Relaunch liegen, extrem verändert: Das Primat liegt heute auf der Verwendung digitaler Medien wie dem Smartphone und Tablet. Sie finden im Tisch ihren Ort, um ihren Besitzern als Sekretäre zu dienen. Auch die Akkus können hier geladen werden.

Die Buntstifte bringen einen charmanten Kontrast in die geschmeidig modellierte Stauraumebene, ein Marker-Set verbreitet augenzwinkernd einen Hauch von Cockpit-Atmosphäre. Da bei dem überwiegend digitalen Schriftwechsel kaum noch Schriftgut anfällt, das gegenständlich aufbewahrt werden muss, entfällt damit ein wesentlicher Bestandteil des klassischen Sekretärs. Übrig bleibt ein kompaktes und praktisch organisiertes Volumen, dessen Inhalt sich wenn nötig vor Blicken und Zugriff schützen lässt – die fragile Oberfläche des geschlossenen Rollladens ist leicht geneigt und beugt so einer Fehlnutzung als Ablage für dies und das vor. Bravo! Ein »zeitloses« Möbelstück, wie es Tobias Schauhoff eigentlich kreieren wollte, ist dieser Schreibtisch allerdings nicht geworden – und das ist eine der großen Qualitäten des Entwurfes!

Ein ambitioniertes Wohnmöbel spiegelt immer auch einen wesentlichen Aspekt aus der Gegenwart seiner Entstehung wider: seien es die handwerklichen Möglichkeiten, die Art seiner Nutzung oder auch eine Reminiszenz dessen, was potenziell rechts und links von dem Gegenstand platziert ist. Vielleicht werden wir in weiteren 70 Jahren wiederum völlig anders kommunizieren – mit anderen Hilfsmitteln und in anderer Geschwindigkeit. Ich bin mir sicher, dieses elegante Möbel wird das aushalten – als Zeuge einer Zeit, in der es modern war, aber nicht modisch!

Vertikalschnitt: Innenkorpus mit nach hinten geneigter Front und vorne griffartig ausgebildetem Boden als »Lehne« für Tablet und Smartphone
Horizontalschnitt: Ein Konstruktionsboden trägt die Unterflurauszüge der Platte. Dazwischen liegen herausnehmbare Kassetten

Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion. dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

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Gelungener Empfang

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Anders als mancher Solitär stellt sich dieser Waschtisch in massiver Ulme durch seine festgelegte Einbausituation einer komplexen Anforderung aus dem Innenausbau.

So ein schmuckes Möbel wünschte ich mir in jedem Eingangsbereich: Heimkommen, Schlüssel ablegen, Hände waschen – leider sind Waschbecken aber meist nur im Bad zu finden, auch hier deutet der Fliesenspiegel darauf hin. Durchlaufende Maserung und warme Farbe bringen das kostbare Rüsterholz wunderbar zur Geltung. Das Handtuch hängt unter dem Waschbecken hier etwas zu tief – eine Lösung für das Trocknen der Hände zu finden, durch welche die Gesamtansicht nicht gestört wird, ist anspruchsvoll! Da das Becken sehr niedrig ist, muss mit dem Wasser sorgfältig hantiert werden – auch nasse Hände sollten keine Spuren auf der Holzplatte hinterlassen. Klug ausgesucht wurde diese Armatur, weil sie über dem Becken bedient werden kann. Sinnvoll ist auch das vorgesetzte Rückwandpaneel, das die Anschlüsse von Siphon und wandseitiger Armatur verdeckt. Wichtig ist, die Armatur so zu platzieren, dass der mittig auf den Beckenboden auftreffende Wasserstrahl nicht spritzt. Das sollte vor der Installation von Becken und Armatur getestet werden. Ein Schmuckstück ist das handgefertigte Aluminiumbecken! Vielleicht könnte aber der Abstand zum Wandpaneel etwas größer sein. Spritzwasser sollte unverzüglich aufgenommen und die Oberfläche regelmäßig geölt werden.

Ab Unterkante Spiegel ist die Schattenfuge zur Wand mit einem LED-Band beleuchtet. Der Spiegel umgreift das aufrechte Wandpaneel auch seitlich. Um Wasserinstallation und LED-Band warten zu können, ist die Front in Abschnitten aushängbar ausgeführt worden. Die Proportionen des Möbels sind stimmig und die Schattenfugen konsequent gesetzt. Schöner wäre, auf die seitlichen Passleisten zu verzichten und das Möbel an Metallkonsolen aufzuhängen – es ist grundsätzlich vorteilhaft, wenn sich unterschiedliche Materialien, hier Fliesen und Holz, durch Abstand Respekt zollen! Die Schubladen sind von dem Falz des Korpus umrahmt, die Kulissen fachgerecht in die massiven Korpusseiten gegratet. Ein schönes Detail!

Frontalschnitt: Zwischenwände und Kulissenauszüge sind fachgerecht in die massiven Korpusseiten eingegratet. Verdeckte Wandmontage mit Passleiste
Horizontalschnitte des vertikalen Wandpaneels oberhalb, innerhalb und unterhalb des Spiegels (von oben)
Horizontale Schnittebenen in der Seitenansicht

Ursula Maier, Stuttgart, Maître Ébéniste und
Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat
ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und 2007
an die vierte Generation übergeben.

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Gelungene Hommage

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Das Meisterstück Stehpult von Kevin Gerstmeier kann als hervorragende Reminiszenz an die Klassische Moderne betrachtet werden – beginnend beim Bauhaus, über die HFG Ulm bis zu seinem großen Vorbild Dieter Rams, einem prägenden Gestalter unserer Zeit.

Der Steharbeitsplatz von Kevin Gerstmeier zeigt eine eigenständige und teilweise spielerische Auseinandersetzung mit der Klassischen Moderne. Das Fußgestell aus endlos geführtem, verchromtem Stahlrohr erinnert an die Tische und Schreibtische der 1930er-Jahre von Marcel Breuer für Thonet.

Die rundum ausgewogene Proportion des Korpus im Zusammenspiel mit dem Gestell lässt eine sichere Anwendung des Goldenen Schnittes erkennen. Das in sich ruhende Fußteil betont die Leichtigkeit in der Vertikalen von unten. Der vermeintlich schwebend aufgesetzte Schubladenkorpus ist durch die schräge Verjüngung in seiner Wuchtigkeit abgemildert und verleiht dem gegensätzlichen Anspruch von Leichte und Schwere eine heitere Note. Die nur angedeuteten Griffmulden, die auf Druck die Schubladen öffnen, das feine Fugenbild an der Schubladenfront und die ausgewogene Abstufung der Schubladen nach oben unterstützen die ruhige Ausstrahlung.

Handwerklich ist das Möbel im Detail durchdacht und präzise ausgearbeitet. Hervorzuheben sind die feinen Schwalbenschwänze am Korpus und an den innen trichterförmig ausgebildeten Schubladen, ihre Holzkulissenführungen sowie die herausnehmbare Stiftschatulle.

Ist dieser Möbeltypus einem Steharbeitsplatz oder eher einer Kommode zuzuordnen? Das Stehen an der Rückseite des Korpus mit dem daraus resultierenden Arbeitsablauf ist gewöhnungsbedürftig. Auch die in unserer Zeit digital ausgerichtete Arbeitswelt findet keine Berücksichtigung. Dafür unterstützt das Möbel Augenblicke der Besinnung, skizzierend Gedanken aufs Papier zu bringen, und dafür ist es gemacht.

Im Gesamtbild zeigt diese Arbeit eine hervorragende formale Ästhetik und einen hohen handwerklichen und praktischen Anspruch. Sie belegt, wie intensive Beschäftigung mit Vorbildern und ihr analytisches Hinterfragen inspirieren und zu einer eigenständigen Interpretation anregen kann.

Vertikalschnitt: Schubladenkorpus mit abgestufter Rückwand und bündig einschlagenden Doppeln
Frontalschnitt: Unterflur auf Holzkulissen geführte Schubkästen mit innen umlaufend konisch ausgebildeten Seiten

Prof. Peter Litzlbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, hat bis Sommer 2017 Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart gelehrt.

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Elegant und funktional

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Aufstrebend leicht wirkt der Schreibtisch in Nussbaum und grau gebeizter Eiche von Alexander Enns. Umlaufend in die gefälzte Tischplatte einschlagende Fronten und Blenden sind mit differenzierten Öffnungsfunktionen ausgestattet.

Die formale Reduktion auf ein Tischgestell mit flachem, trichterförmigem Korpus bewirkt eine leichte und elegante Anmutung: Von der Mittelachse ausgehend, spreizen sich konisch zulaufende Füße in die Tischecken. Sie geben dem Tisch Standfestigkeit und betonen die Leichtigkeit des Möbels. Zargen und Tischbeine sind mit Doppelschlitzzapfen verbunden. Diagonal angeordnete, im Kreuzpunkt überblattete Zargen unterstützen den aufstrebenden Charakter der Gestalt und erweitern die Beinfreiheit. Die um 60° geneigten, umlaufend in die gefälzte Tischplatte einschlagenden Fronten und Blenden tragen das ihre zur Leichtigkeit des Möbels bei. Nussbaum an Platte und Gestell sowie hellgrau gebeizte Eiche an Fronten und Blenden bilden einen harmonischen Kontrast, der das Charakteristische der Holzarten wie auch die lineare Formgebung zur Geltung bringt.

Frontal und rechts stirnseitig werden Klappen von Elektromagneten zugehalten und jeweils über einen Drucktaster unter dem Tisch ausgelöst. Beide haben mechanische Öffnungsbegrenzer. Die frontale Klappe verdeckt ein unterflur kugelgelagert geführtes Tablar, das zur Ablage eines Laptops und Erweiterung der Arbeitsfläche dient. Ein LED-Band hinter der Klappe lässt sich per Touchsensor ein- und ausschalten sowie dimmen. Hinter der stirnseitigen Klappe rechts sind Steckdosen und eine Kabeldurchführung installiert. Im Raum dahinter lagern diverse Kabel, zugänglich von unten über eine Revisionsklappe.

Stirnseitig links befindet sich – ergonomisch eher ungünstig – ein auf Holzkulissen geführter Auszug. Differenziert sind die unteren Fälze der Klappen und des Schubkastendoppels in hoher handwerklicher Qualität gemäß ihrer Funktion als Klappenanschlag und als Griffhohlkehle ausgearbeitet. Alexander Enns ist es meisterhaft gelungen, einen modernen Arbeitsplatz in hoher technisch-funktionaler Anmutungsqualität mit einer eleganten, verdeckten Lösung für Kabel und Anschlüsse zu gestalten.

Frontalschnitt: Mittiger Tablarauszug, Klappe für Steckdosenfach rechts, links auf Holzkulissen geführter Schubkasten
Vertikalschnitt: Die Klappe öffnet elektromagnetisch über einen Taster am Unterboden
Vertikalschnitt: über Eck geführte Blende und stirnseitig links platzierter Schubkasten

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Mobiles Minimalgewicht

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Aufgrund seiner konstruktionsbedingten Leichtbaus ist dieses Schrankmöbel von Jonas Eiling tatsächlich mobil – und damit ein praktisches Instrument, um kleine Grundrisse flexibel zu zonieren. Die schlichte Weißtanne unterstreicht dieses Konzept.

Aus einfachen Zutaten ein Meisterwerk zu komponieren, das mag im Zusammenhang mit einer Meisterprüfung üblich klingen – dabei gehört es zum Diffizilsten im Handwerk überhaupt: beim Kochen, in der Mode und ebenso im Möbelbau. Das schlicht mit »Kleiderschrank in Tanne« bezeichnete Meisterstück von Jonas Eiling bringt seine Idee bereits im Namen auf den Punkt. Die Adelung und Wertschätzung des einfachen Holzes sehe ich dabei als einen sekundären Aspekt – im Vordergrund steht der poetische Duktus.

Das Objekt hat die Behandlung der Grundform zum Thema: ein Behältermöbel für Kleidung, interpretiert als Nutzvolumen, feingliedrig, getragen, ja behutsam umfasst von einem filigranen Gestell.

Dieser erzählende Ansatz wird ohne Pathos, eher mit augenzwinkerndem rhetorischem Seitenhieb auf die Tragwerksingenieure vorgetragen. Der Behälter selbst ist mit Fächern, Hängestange und englischen Zügen gut konzipiert. Durch eine um 90° gedrehte Kleiderstange umgeht der junge Meister geschickt die

übliche Mindesttiefe für Schränke von 580 mm. Es ist
am Ende ein zierlicher, harmonisch proportionierter Quader entstanden, dessen geteilte Frontfläche sich zwar auf die Innenaufteilung bezieht, durch ihre Asymmetrie aber vor allem eine raffinierte Spannung mit zwei unterschiedlichen Formaten aufbaut, die von einem eleganten Flechtwerk ausgefacht sind.

Was dieses Objekt aber am signifikantesten von seinesgleichen unterscheidet, ist die Tatsache, dass es aufgrund seines Minimalgewichtes tatsächlich einen

mobil wirksamen Gegenstand darstellt, was man nur von wenigen Schränken sagen kann. Für das immer stärker geforderte Wohnen auf kleiner Fläche ist das eine ideale Eigenschaft, um Wohnbereiche flexibel zu vergrößern oder zu verkleinern. Weitere Kleiderschränke

Frontalschnitt: fein dimensionierte Wangen
Vertikalschnitt: Rahmen mit Füllungen aus selbst gefertigtem Flechtwerk

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Keiner für alles

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Wer heute einen Sekretär anfertigt, tut gut daran, sich klar zwischen einem analogen Schreibmöbel und einem Homeoffice zu entscheiden – die jeweiligen Anforderungen sind zu unterschiedlich, um in einem Mischkonzept aufzugehen.

Der filigrane Sekretär erinnert in seiner Formensprache an die 1960er-Jahre: Er wirkt apart, leicht und transparent, und auch der Amerikanische Nussbaum passt ins Bild – allerdings darf das Möbel nicht der Sonne ausgesetzt werden, wenn etwas übrig bleiben soll von der dunkelbraunen bis lilafarbenen Brillanz! Sichtbare handwerkliche Verbindungen wie Schlitz und Zapfen, trapezgezinkte Schubladen und liebevolle Kantenverschlankungen begeistern. Leider birgt das Möbel wenig Stauraum: Langbriefkuverts und DIN-A4-Papier können hier kaum untergebracht werden. Dies ist im Zeitalter des Internets vielleicht nicht mehr so wichtig – doch dann sollten übliche Anforderungen an ein modernes Homeoffice erfüllt sein und dazu gehören eine möglichst unsichtbare Kabelführung und einfache Bedienung! Ich stelle mir vor, wie dieser Sekretär funktioniert: Zuerst öffne ich die obere Klappe. Die am Rand raffiniert eingenutete LED-Leiste beleuchtet die Schreibtischplatte.

Mithilfe eines Magnetknopfes öffne ich die Klappe im hinteren Drittel des Schreibtisches. Rechts ist der Technikbereich mit Steckdose, USB-Anschluss und Trafos inklusive Induktionsladegerät untergebracht. Die Klappe muss während des Ladevorgangs geöffnet bleiben, da keine Kabeldurchlässe vorgesehen sind. Der Laptop liegt unter der Mittelklappe, die sich auch mit einem Magnetknopf anheben lässt. Für schwache Hände könnte die Handhabung des Magneten auf Dauer schwierig sein. Stelle ich nun den Laptop auf der linoleumbelegten Klappe ab, verbleibt dort nicht viel Ablagefläche: Die Klappe im hinteren Drittel des Möbels steht nicht zur Verfügung, es bleiben nur die schmalen Flächen über den beiden Schubladen. Die hohen Auszugsbeschläge rauben im Verhältnis sehr viel Nutzhöhe – eine klassische Führung könnte sie um ein Drittel vergrößern! Für den Laptop unter der Klappe ist der Platz reichlich bemessen. Geschlossen gewinnt das Möbel den ursprünglichen Charme eines Klassikers zurück.

Vertikalschnitt: Abgewinkelte Klappe mit eingenuteter, um 15° schwenkbarer LED-Beleuchtung
Frontalschnitt: Hohe mechanische Schubkastenführungen gehen auf Kosten der Nutzhöhe – eine klassische Führung könnte sie um ein Drittel vergrößern!

Ursula Maier, Stuttgart, Maître Ébéniste und
Innenarchitektin BDIA. Die Unternehmerin hat
ihren Betrieb um ein Einrichtungshaus sowie ein Büro für Innenarchitektur erweitert und 2007
an die vierte Generation übergeben.

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Meisterstück Couchtisch

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Als Unterbau für ein Fernsehgerät hat Patrick Rohn dieses Lowboard mit verdeckten Steckdosen für weitere Geräte, einer universellen Dockingstation für Smartphones und einer indirekten, per App schaltbaren LED-Beleuchtung entwickelt.

Breitbeinig stemmt sich das nur knapp 120 cm breite Lowboard in den Boden und definiert durch die seitlich öffnenden Schubladen seinen Umraum. Die Schräge der um 15° ausgestellten Beine leitet sich konsequent aus dem symmetrisch gestalteten Korpus ab. Das Möbel soll als Basis für ein TV-Gerät dienen, ist aber auch für den Betrieb weiterer technischer Geräte ausgelegt: Freie Steckdosen im Inneren und eine Dockingstation für Smartphones werden durch die offene Rückwand von einer textilummantelten Zuleitung gespeist. Eine indirekte LED-Beleuchtung im Fußgestell betont den selbstbewussten Auftritt des Solitärs. Der Korpus ist zweischalig aufgebaut: Weiß lackierte MDF legt sich wie eine zweite Haut über den eichefurnierten Unterkorpus aus Multiplex. Die einseitig den Korpus umgreifenden Schubladen und die mittige, trapezförmige Klappe definieren die Vorderseite des Möbels. Breite Schattenfugen lassen die Öffnungsfunktion klar erkennen. Vom mittleren Fach aus ist der Raum hinter den Schubladen jeweils über eine Klappe erschlossen. Das Innenleben des Möbels konzentriert sich ganz auf die Technik und die Steckdosenlogistik: Es gibt Steckdosen für die Stromversorgung des Trafos der Beleuchtung sowie der Dockingstation, sechs weitere Steckdosen stehen in der Mitte für den Anschluss zusätzlicher Geräte zur Verfügung. Via Bluetooth kann die Beleuchtung des Fußgestells mit der »Connect App« von Häfele über ein Smartphone bedient werden. Die im Oberboden eingelassene, »mechanische« Dockingstation besteht aus einer flächenbündigen Klappe mit Durchlass für das Ladekabel, die umgedreht zum Universalhalter für Smartphones wird.

Die handwerkliche Ausführung des Meisterstücks ist herausragend – jedes Detail ist gut durchdacht und präzise gearbeitet! Es entsteht der Gesamteindruck, dass Patrick Rohn gestalterisch und handwerklich hier alle Register seines Könnens gezogen hat, um ein besonderes Möbelstück herzustellen.

Frontalschnitt: Im Stauraum hinter dem linken seitlichen Schubkasten befinden sich Trafos für Licht und Dockingstation

Prof. Peter Litzlbauer, Architekt, Innenarchitekt und Tischlermeister, hat bis Sommer 2017 Grundlagen des Konstruierens/Raum, Möbel, Material an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart gelehrt.

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Hochgewachsen

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Mit 1600 mm Gesamthöhe zählt die Kommode von Karoline Bickel zu den Riesen ihrer Gattung. Das Möbelstück in Esche und Linoleum zeigt eine geradlinige Formensprache und durchbricht auf originelle Weise die Sehgewohnheit.

Die hohe Kommode zeigt in ihrer Asymmetrie ein ausgewogenes Gleichgewicht. Besonders ansprechend ist der klare Stollenbau mit der am goldenen Schnitt orientierten Teilung der Front: Kontrastreich heben sich die Griffleisten in heller Esche von den dunkelgrauen Linoleumflächen ab. Ebenso sind auch die Füllungen der Korpusseiten beschichtet.

Mit den Hauptmaßen 1100 x 610 x 600 mm bietet das Möbel für verschiedenste Zwecke zahlreiche und gut durchdachte Aufbewahrungsmöglichkeiten. Die sieben Schubkästen sind vorwiegend für Kleidung gedacht. Fünf davon haben mechanische Auszüge, die beiden oberen liegen nebeneinander und sind auf seitlichen Vollholzkulissen geführt. Die ausdrücklich von der Kundin gewünschte Möbelhöhe von 1,60 m gewährt nur sehr großen Menschen Einblick in die oberen Schubladen – für stehende Männer wird eine Augenhöhe von 1,51 bis 1,63 m angenommen!

In der unteren der schmaleren Schubladen mit Linoleumfront liegt ein beweglicher Einsatz mit drei Fächern, davon ist eines mit Klappe abschließbar. Daneben befindet sich ein schmales, aufrechtes Fach mit Tür, die mit unsichtbaren Bändern angeschlagen ist. Eine am Oberboden befestigte Kleiderstange soll zum Aufhängen von Schals dienen.

Die Rückwand der Kommode besteht aus zwei kombinierten Rahmen und ermöglicht die Belüftung des Innenraums: Der innere Rahmen ist mit grauem Leinen bespannt, der äußere mit Sprossen ausgeführt. Gewebe und Sprossen nehmen den Farbkontrast von Linoleum und Eschenholz auf. Das ansprechende und originelle Möbel kann als Blickfang frei im Raum stehen oder auch als Raumteiler dienen. Es zeichnet sich durch eine präzise handwerkliche Verarbeitung aus: Alle Kanten sind leicht und akkurat gebrochen, die Holzoberflächen mit Projektöl matt veredelt und gewachst. Die geradlinige Formensprache sowie die Beschränkung in der Materialkombination erzeugen ein stimmiges Gesamtbild.


Eckhard Heyelmann, Garmisch-Partenkirchen, Innenarchitekt und Dipl.-Designer. Von 1990
bis 2001 hat er als Leiter der Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auch die Entwicklung der Meisterstücke betreut.

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Symbol mit Nutzwert

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Martina Weichselbaumer hat als Meisterstück ein charmantes Barmöbel vorgelegt. Prof. Axel Müller-Schöll zieht Parallelen zum Entwurfsverständnis im Bauhaus, dessen Gestaltungsimpulse vor 100 Jahren die Welt verändert haben.

Willkommen im Bauhaus-100-Jahr! Die Möbel dieser Ära bestechen dadurch, dass sie – insbesondere im Gegensatz zum ornamentüberladenen Mobiliar des 19. Jahrhunderts – leicht, beschwingt, ja geradezu entmaterialisiert wirken. Dies war den Bauhäuslern wichtig – der Komfort für den Nutzer dagegen eher zweitrangig: Der »Brno-Freischwinger« des ersten Bauhausdirektors, Ludwig Mies van der Rohe, ist zwar an Eleganz unerreicht, das Aufstehen allerdings mündet regelmäßig in eine Art Slapstick, da man am rund auskragenden Stuhlbein hängen bleibt. Und wer jemals auf dem legendären »Wassily-Sessel« Marcel Breuers Platz nehmen durfte, wird sich daran erinnern, selten so unbequem gesessen zu haben. Kurz: Alle diese Möbel folgen nicht in erster Linie dem Gedanken, den Komfort im Hinblick auf die Nutzung zu optimieren, sondern sind bis heute eindrucksvolle Plädoyers der radikalen Forderung nach Reduktion im Ausdruck. Sie demonstrieren, dass alle Materialien eine gleich hohe Wertschätzung verdienen.

Martina Weichselbaumer schreibt, ein Meisterstück zu entwerfen, es zu planen und zu fertigen, erfordere Leidenschaft und größtmögliche Hingabe. Ansporn sei für sie die Liebe zum Handwerk und zu ihrem Mann gewesen, dem dieses Möbel gewidmet ist: Eine modern interpretierte Schatztruhe für den Whiskey-Kenner, die sich auf wundersame Weise aus Genen von Nähkästchen, Werkzeugkisten und Überseekoffer herausentwickelt hat. Sie scheint auf einer goldenen Linie zu schweben und ist erst einmal eine Geste, ein

starkes Symbol mit diskretem Nutzwert. Aus meiner Sicht liegt die meisterliche Besonderheit des Möbels in dem freundlichen Augenzwinkern und der feinen Ironie, die ihm innewohnt – und in diesem Punkt hat es dem Bauhaus sogar ein ganzes Stück voraus!

Frontalschnitt: Beide Hälften des geteilten Kofferdeckels sind mit Stangenscharnieren angeschlagen
Vertikalschnitt: Griffprofile und Stangenscharniere aus Messing liegen in einer Ebene

Prof. Axel Müller-Schöll lehrt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Innenarchitektur und Ausbaukonstruktion. dds und dem Tischlerhandwerk ist er seit vielen Jahren beratend und als Autor verbunden.

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